Gotoku Sakai
Sakai gibt sich schlechte Noten Olympia, das ist der Traum eines jeden Sportlers. Gotoku Sakai (21) hat ihn gelebt. Er hat die Atmosphäre im olympischen Dorf genossen, die legendären Stadien in England bewundert, die großen Stars der Sportwelt getroffen und nebenbei mit dem japanischen U-23-Nationalmannschaft nur knapp die Bronzemedaille verpasst. „Das war eine sehr schöne und einmalige Erfahrung“, sagt der Japaner und strahlt.
Neun Wochen ist das jetzt her – und der Außenverteidiger des VfB Stuttgart hat längst gemerkt, dass er für diese einmalige Erfahrung einen ziemlich hohen Preis bezahlen muss. „Trainingsrückstand“, sagt er – auf deutsch – und zieht eine Grimasse. Dieses Wort hat er in letzter Zeit so häufig gehört, es hat sich eingeprägt. Gotoku Sakai hat nahezu die komplette Vorbereitung verpasst, war nach der Rückkehr aus London auch noch mit der japanischen A-Nationalmannschaft unterwegs. Zudem konnte er auch mental seit der vergangenen Saison nicht abschalten. Er hatte keinen Urlaub. Und all das merkt man Gotoku Sakai auf dem Spielfeld derzeit auch an. Der Japaner lässt seine flinke Art vermissen, die ihm nach seinem Wechsel von Albirex Niiggata zum VfB Stuttgart in der vergangenen Winterpause so viel Lob eingebracht hat. Auch Kraft, Schnelligkeit, Zweikampfstärke und Dynamik haben nachgelassen. Gotoku Sakai wirkte in seinen bislang fünf Bundesliga- und zwei Europa-League-Spielen behäbig und leistete sich Patzer, die man von ihm in dieser Art nicht gewohnt war.
„Ich fühle mich noch ein bisschen komisch, bin nicht so beweglich wie sonst“
Eigentlich hätte Sakai seinen Trainingsrückstand in aller Ruhe aufholen sollen – das jedenfalls war der Plan von Trainer Bruno Labbadia. Schließlich hatte man in Tim Hoogland ja einen Rechtsverteidiger verpflichtet. Und dieser sollte den Japaner zunächst ersetzen. Dumm nur, dass sich Hoogland schon im dritten Saisonspiel einen Bänderriss im Sprunggelenk zugezogen hat und voraussichtlich noch bis Ende Oktober ausfällt.
Zwar steht in Antonio Rüdiger noch ein weiterer Spieler im Kader von Bruno Labbadia, der auf der rechten Verteidigerposition eingesetzt werden kann, bislang setzte der Coach aber meist auf Sakai. Dem Japaner ist bewusst, dass das, was er bislang gezeigt hat, nicht ausreichend ist. Er stellt sich selbst ein schlechtes Zeugnis aus. „Ich kann mit meiner Leistung bislang nicht zufrieden sein“, sagt er selbstkritisch, „ich fühle mich noch ein bisschen komisch, bin nicht so beweglich wie sonst. Ich habe jetzt gemerkt, wie wichtig eine ordentliche Vorbereitung ist“ Und weil Selbsterkenntnis bekanntlich der erste Schritt zur Besserung ist, legt sich Gotoku Sakai derzeit mächtig ins Zeug, um den „Trainingsrückstand“ endlich aufzuholen.
Sakai schiebt neben den normalen Trainingseinheiten noch zusätzliche „Sonderschichten“
Und deshalb war Sakai auch gar nicht unglücklich darüber, dass ihn der japanische Nationaltrainer Alberto Zaccheroni – ebenso wie seinen Landsmann, VfB-Mittelfeldspieler Shinji Okazaki – nicht in das Aufgebot für die Länderspiele gegen Frankreich (12. Oktober) und Brasilien (16. Oktober) berufen hat. „Eigentlich ist es ja eine Ehre, für seine Nationalmannschaft nominiert zu werden, aber diesesmal bin ich wirklich froh, dass ich in Stuttgart bleiben konnte. Das bringt mir mehr.“
Und so schiebt Gotoku Sakai neben den normalen Trainingseinheiten noch zusätzliche „Sonderschichten“. Auch dieses Wort kennt er gut. Oft tritt er noch eine Flanke nach der anderen vors Tor, während die meisten seiner Mitspieler längst unter der warmen Dusche stehen. Bruno Labbadia hat dem Japaner zusätzlich Mut gemacht. „Er hat lange mit mir gesprochen. Das hat mich unheimlich motiviert“, sagt Sakai.
Bis zum Spiel beim Hamburger SV am 21. Oktober (17.30 Uhr) will der Familienvater wieder der Alte sein. Er sieht sich auf einem guten Weg – ebenso wie den VfB. Das Spiel gegen Leverkusen hat dem Japaner Mut gemacht. „Wir sind wieder als Einheit aufgetreten, daran müssen wir in Hamburg anknüpfen“, sagt er. Gotoku Sakai jedenfalls will dem VfB helfen, die Krise zu überwinden – indem er seine eigene vergessen macht.
Quelle: Stuttgarter Nachrichten