Interview

VfB-Legende Wohlfahrt: „Zieler ist die ideale Lösung“

Wenn der VfB am Sonntag gegen den SC Freiburg antritt, ist die Pokalsieger-Mannschaft von 1997 in Stuttgart zu Gast. Franz Wohlfahrt freut sich schon – und blickt sehr wohlwollend auf seinen Nachfolger im VfB-Tor.

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1997 Pokalsieger mit dem VfB Stuttgart: Torhüter Franz Wohlfahrt

Auf den Pokalsieg mit dem VfB Stuttgart im Jahr 1997 ist Franz Wohlfahrt heute noch stolz. Am Sonntag trifft die Mannschaft, die vor 20 Jahren das Finale gegen Energie Cottbus gewonnen hat, in der Mercedes-Benz-Arena beim Spiel des VfB gegen den SC Freiburg. „Ich habe noch mit den meisten Kollegen von damals Kontakt“, sagt der ehemalige Torhüter, der heute Manager bei Austria Wien ist.

Herr Wohlfahrt, wie geht es Ihnen?
Mir geht es nicht so schlecht – aber auch nicht perfekt.

Der vergangene Mittwoch hängt Ihnen noch nach?
Na, klar. Wir haben mit Austria Wien das Derby gegen Rapid 1:2 verloren, das war natürlich ärgerlich. Aber so ist es eben im Fußball. Am Samstag geht s ja schon weiter, wie spielen in Linz – und danach fahre ich nach Stuttgart zum VfB. Hoffentlich mit einem Erfolgserlebnis im Rücken.

Wie groß ist die Vorfreude auf das Wiedersehen mit der alten Heimat?
Groß. Aber auch wenn ich schon länger weg bin vom VfB, war ich eigentlich immer ein-, zweimal pro Jahr in Stuttgart und habe Freunde und Bekannte besucht. Und auch mit den meisten Kollegen von damals habe ich noch Kontakt. Einige sind ja nach wie vor in der Fußballbranche tätig, da gibt es immer wieder Berührungspunkte.

Mit wem halten Sie besonders engen Kontakt?
Mit Krassimir Balakov, auch mit Fredi Bobic und Zvonimir Soldo, bevor er nach China gegangen ist. Kürzlich habe ich mit Gerhard Poschner telefoniert. Sie sehen: Es gibt nur sehr wenige, mit denen ich gar keinen Kontakt mehr habe.

Schweißt ein gemeinsamer Erfolg wie der Pokalsieg auf lange Sicht enger zusammen?
Das kann der Fall sein. Ich glaube aber auch, dass die Truppe von damals einfach gut zusammengepasst hat – inklusive Trainer. Jogi Löw wurde ja erst in der Saison des Pokalsieges zum Chefcoach . . .

. . . und Sie haben ihm danach zugetraut, mal ein ganz Großer zu werden?
Das kann man nie vorhersehen. Aber er hatte damals bei uns eine Mannschaft mit, wenn man so will, relativ vielen Stars. Balakov, Elber, Bobic, Berthold . . . das sind große Namen, mit denen kommt nicht jeder zurecht. Joachim Löw hat damals schon gezeigt, dass er talentiert ist.

Eine Mannschaft mit vielen starken Charakteren kann einem Trainer auch das Leben schwer machen.
Das stimmt. Der große Vorteil damals war aber: Joachim Löw wurde Interimstrainer, und wir haben gleich die ersten fünf Spiele unter ihm gewonnen. Danach hat er dann den Vertrag als Cheftrainer unterschrieben. Man sieht: Erfolg hilft immer. Aber noch einmal: Viele Charaktere waren damals vielleicht nicht einfach, aber sie waren immer auf Sieg eingestellt.

Und konnten vermutlich schlecht verlieren.
Genau. Und jeder wusste, was nötig ist um zu gewinnen. Das hilft einem Trainer natürlich. Es waren als durchaus schwierige, aber gute Charaktere.

Wie präsent sind Ihre Erinnerungen als das Finalwochenende in Berlin?
Sehr präsent. Es war damals ja auch meine erste Saison beim VfB – die vergisst man nicht so schnell. Dazu gab es im Laufe des Wettbewerbs zweimal Elfmeterschießen, bei denen ich auch selbst geschossen habe.

Wieso das?
In der zweiten Runde haben wir in Berlin gespielt, wir waren lange Zeit zwei Mann weniger, am Ende waren alle kaputt. Dann hieß es: „Du musst auch einen schießen.“

Was haben Sie geantwortet?
Na gut, dann schieß’ mer halt auch einen. Der Plan war: Einen hau’ ich rein und einen halte ich. Genauso ist es dann auch gekommen. Sowohl in Berlin als auch später in Freiburg.
Und dabei heißt es immer, die früheren Torhüter seien fußballerisch nicht so gut gewesen.
Also ich war ein guter Fußballer – und hatte damit auch Glück.

Inwiefern?
1992 wurde die Rückpassregel eingeführt. Und weil ich meinen Konkurrenten fußballerisch überlegen war, bin ich Österreichs Nummer eins geworden. Ich kann den Regelhütern also dankbar sein. Aber: Ich habe natürlich auch Fehler gemacht. In Rostock habe ich mal über den Ball gehauen, das gehört halt auch dazu.

Zurück zum Pokalfinale: Nach dem Sieg gab es die eine oder andere haarige Aktion.
Oh ja. Aber sie haben nicht alle erwischt. Ich musste sofort nach dem Spiel zur Dopingkontrolle, deshalb bin ich ungeschoren davongekommen.

Zunächst.
Ich war dann einige Wochen später im Trainingslager dran. Da hab’ ich eine Wette verloren und wurde rasiert. Da waren bei den anderen die Haare längt wieder nachgewachsen.

Blöd gelaufen.
Ja, aber das alles zeigt doch auch, dass wir damals eine richtig gute Truppe mit einem stark ausgeprägten Zusammenhalt waren. Und es macht mich noch immer stolz, dass ich bei einem von drei Pokalsiegen der Vereinsgeschichte dabei war.

Auf wen freuen Sie sich am Sonntag am meisten?
Ich weiß ja nicht, wer alles kommt. Matthias Hagner hab ich schon lange nicht mehr gesehen. Und mit Thorsten Legat muss ich auch mal ein ernstes Wörtchen reden.

Wieso denn das?
Na, der soll nicht so viel ins Dschungelcamp gehen. Den Thorsten hab ich seit damals als einen der wenigen nicht mehr persönlich gesehen.

Wie ist Ihr Kontakt zu Joachim Löw?
Wir haben uns gesehen, als ich noch Torwarttrainer der österreichischen Nationalmannschaft war und wir gegen Deutschland gespielt haben. Es war sehr nett, der Jogi ist einer, der die früheren Zeiten und seine Anfänge nicht vergisst.

Haben Sie den sportlichen Weg des VfB in den vergangenen Jahren aufmerksam verfolgt?
Ja, zumal ja auch immer wieder Spieler aus Österreich wie Martin Harnik und Florian Klein im Kader standen. Und 2011 habe ich beim VfB hospitiert, als ich meine Diplomarbeit geschrieben habe. Der VfB hat einige Jahre gezittert, irgendwann hat es ihn dann eben erwischt. Es war wichtig, dass der Club gleich wieder aufgestiegen ist.

Was ist drin für den VfB in den kommenden Monaten und Jahren?
In der Bundesliga geht es sehr, sehr eng zu, die Mannschaften sind dicht beieinander. Teams, denen du von vorneherein überlegen warst, gibt es im Grunde nicht mehr – auch, weil die körperliche und taktische Komponente im Fußball immer mehr Bedeutung gewonnen hat. Ich denke aber, dass es für den VfB möglich ist, sich wieder im oberen Drittel zu etablieren.

Im Tor steht aktuell Ron-Robert Zieler. Ein guter Mann?
Das Gute ist: Zieler ist eine klare Nummer eins. Und das halte ich für ganz, ganz wichtig. Eine Mannschaft braucht einen Torhüter, dem sie zu einhundert Prozent vertraut. Und dem sie auch zuhört, wenn er von hinten Anweisungen gibt. Auch das gehört ja für einen Torhüter dazu. Er muss auch mal laut werden dürfen, ohne dass es ihm einer krumm nimmt. Auch bei uns wurde früher immer mal wieder Klartext gesprochen. Das war nicht immer lustig, aber jeder wusste: Es ist nötig. Denn das hilft am Ende dem Team.

Zurück zu Ron-Robert Zieler.
Er ist die ideale Lösung, ein absolut starker Torhüter.

Dafür fehlt derzeit die österreichische Komponente beim VfB – abgesehen von Stefan Peric in der zweiten Mannschaft.
Ja, die hab’ ich ja alle weggeholt. (Lacht) Raphael Holzhauser war der erste Transfer, den ich als Sportdirektor von Austria Wien getätigt habe. Im Sommer haben wir dann noch Florian Klein geholt, der gleich ein ganz wichtiger Spieler für uns geworden ist. Ich denke, er ist beim VfB ein bisschen unterschätzt wurde.

Raphael Holzhauser hat sich aber auch gemacht in Wien, oder?
Absolut. Er hat großartige Spiele gemacht, gerade auch in der Europa League. Leider läuft sein Vertrag im Sommer aus.

Wie geht es dann weiter?
Ich habe vermutlich nicht die Mittel, um ihn halten zu können. Und vorzeitig verlängern konnten wir den Vertrag auch nicht. Wir investieren derzeit eben auch rund 50 Millionen Euro in unser Stadion, da kann ich einem Spieler nichts versprechen, das ich nicht halten kann.

Franz Wohlfahrt wurde 1964 in Kärnten in Österreich geboren. 1981 holte Austria Wien seinen Bruder Mario – und verpflichtete den Torhüter gleich mit. Im Gegensatz zu seinem Bruder konnte sich Franz Wohlfahrt durchsetzen und feierte in der Saison 1984/85 sein Erstligadebüt. Im August 1987 stand er erstmals für die österreichische Nationalmannschaft im Tor. 59 Spiele absolvierte er im Nationaltrikot, 1998 nahm er an der WM teil, später wurde er Torwarttrainer beim Verband. 1996 wechselte Wohlfahrt zum VfB Stuttgart, für den er bis Sommer 2000 118-mal im Tor stand und 1997 den DFB-Pokal gewann.

Seit Januar 2015 ist Franz Wohlfahrt Sportdirektor bei Austria Wien.

Quelle: Stuttgarter Zeitung


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