Dennis Aogo und Co.
Wie der VfB Stuttgart mit Sportpsychologen arbeitetSportpsychologen etablieren sich im Fußball – nicht immer ist die Arbeit einfach. Ob die Profis das Angebot annehmen, ist deren private Entscheidung – wie bei Dennis Aogo vom VfB Stuttgart.
Dennis Aogo vom VfB Stuttgart
Per Mertesacker war „vor allem erleichtert“, als er bei der Heim-WM 2006 im Halbfinale mit dem deutschen Nationalteam ausgeschieden ist. Markus Babbel meinte jüngst, das Tor zum 1:2 im Finale der Champions League 1999 gegen Manchester United sei „fast befreiend“ gewesen. Er trug damals das Trikot des FC Bayern. Und Martin Amedick, einst Profi unter anderem bei Borussia Dortmund, berichtete von einem „unheimlich schweren Rucksack“. Worum es bei allen Dreien geht? Um die Begleiterscheinungen einer Profikarriere im Fußball. Um Druck – über den Dennis Aogo vom VfB Stuttgart im Interview mit unserer Zeitung kürzlich sagte: „Den richtigen Umgang damit muss man lernen.“
In der vergangenen Woche war der Ex-Nationalspieler zu Gast in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz, die Sendung wurde am Dienstag ausgestrahlt. Auch dort wurde über dieses Thema diskutiert, auch dort schilderte Aogo nachvollziehbar seine Sicht der Dinge und erzählte, wie er als Profi des Hamburger SV einst den Rat eines Psychologen gesucht hat. „Rückblickend“, sagte er, „war das die beste Entscheidung meiner Karriere.“
Der HSV bot seinen Spielern seinerzeit die Möglichkeit, sich dem vom Verein angestellten Teampsychologen anzuvertrauen. Aogo wählte einen anderen Weg – aus für ihn gutem Grund: „Ich bin persönlich der Meinung – und die muss nicht richtig sein – dass es schwierig ist, sich jemandem zu outen, der vom Verein ist. Weil man immer irgendwie das Gefühl hat, dass es transportiert wird.“ Dass der Trainer seine Aufstellung von einer solchen Information abhängig macht. Oder die Chancen bei den nächsten Vertragsverhandlungen sinken. Befürchtungen, die selbst Sportpsychologen zumindest nachvollziehen können.
Die Arbeit im Spannungsfeld
Die Arbeit im Spannungsfeld zwischen Verein, Trainer und Spieler sei „eine große Herausforderung“, sagt etwa Werner Mickler, der in der Trainerausbildung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) tätig ist: „Auf der einen Seite gibt es die Pflicht zur Verschwiegenheit“, sagt der Sportpsychologe, „andererseits sind da aber womöglich auch Mitstreiter, die möglicherweise Informationen erwarten.“ Dazu kommt: Ein Teampsychologe ist nicht nur für die Spieler da, sondern berät auch die Trainer. Hannes Wolf etwa tauschte sich in seiner Zeit als Chefcoach des VfB Stuttgart regelmäßig mit dem Teampsychologen Philipp Laux aus. Dessen Engagement ergibt also Sinn – selbst wenn andere Spieler wie Aogo handeln und außerhalb Rat suchen.
„Wir bieten sportpsychologische Betreuung ganz bewusst auf freiwilliger Basis an“, sagt dazu Michael Reschke, der VfB-Sportvorstand, „ob, und wenn ja, in welchem Umfang dieses Angebot angenommen wird, ist eine total private Entscheidung, auf die wir als Verein keinerlei Einfluss nehmen. Wenn sich ein Spieler in diesem Bereich privat Unterstützung an die Seite holt, ist das völlig in Ordnung.“
Um Missverständnisse und falsche Erwartungen innerhalb des Vereins zu vermeiden und andererseits vertrauensbildende Entwicklungen zu ermöglichen, rät Werner Mickler, die Kompetenzen und die Rolle des Teampsychologen nach allen Seiten und von vorneherein klar zu definieren. Der Spieler muss sicher sein können, dass er mit absoluter Verschwiegenheit rechnen kann. „Und der Club darf den Teampsychologen auch nicht in die Bredouille bringen“, ergänzt Mickler. Um alle Kompetenzen im Trainerteam ausschöpfen zu können, müsse der Bereich Sportpsychologie zudem weiter an Akzeptanz als leistungsrelevantes Thema einer Entwicklung gewinnen. Aussagen wie jene von Dennis Aogo können auf diesem Weg ein wichtiger Schritt sein.
Laux wird den VfB verlassen
Der 31-Jährige hat seine Persönlichkeitsentwicklung in Hamburg mit einem externen Berater vorangetrieben. „Ich habe viel über mich gelernt und Werkzeuge an die Hand bekommen, um mich selbst zu regulieren“, erinnert er sich. Heutige Nachwuchsspieler werden bereits in den Nachwuchsleistungszentren (NLZ) so gut es geht an die Anforderungen der Profibranche herangeführt – auch in psychologischer Sicht. Im Rahmen der NLZ-Zertifizierung ist die Anstellung eines Sportpsychologen Voraussetzung, will man die bestmögliche Bewertung erhalten.
„Im Leistungsbereich bereiten wir unsere Spieler sportlich und psychisch auf den Hochleistungsfußball vor“, heißt es in der Ausbildungsphilosophie des VfB. Thorsten Leber ist im Stuttgarter NLZ für den mentalen Bereich zuständig, Ex-Torhüter Philipp Laux dagegen wird den Verein nach Saisonende verlassen und sich selbstständig machen. Profisportler wird er wohl weiter beraten – das Spannungsfeld innerhalb eines Vereins betrachtet er dann aber von außen.
Quelle: Stuttgarter Zeitung