Martin Harnik

„Früher nannten sie mich Piefke“



An diesem Dienstag ist es so weit: Österreich trifft beim WM-Qualifikationsspiel in Wien auf das deutsche Team (20.30 Uhr/ARD). Für Martin Harnik ist das ein besonderes Spiel – der Angreifer ist in Hamburg aufgewachsen und hat eine deutsche Mutter.

Herr Harnik, was können Sie besser – ­schwäbisch oder österreichisch?
(lacht und antwortet auf Hochdeutsch) ­Beides nicht so gut, wie ich es mir wünschen würde. Aber ich glaube, ich verstehe die ­Österreicher doch noch etwas besser als die Schwaben.

Und wem haben Sie als gebürtiger ­Hamburger früher bei Länderspielen die Daumen gedrückt – Deutschland oder Österreich?
Auch damals war Österreich ja leider nicht besonders oft bei großen Turnieren vertreten, von daher gab es nie viele Österreich-Spiele zum Anschauen. Aber wenn sie wirklich mal dabei waren, so wie 1998 in Frankreich, dann hat mein Herz schon höher ­geschlagen. Grundsätzlich bin ich aber in Hamburg als Deutscher aufgewachsen. Ich drücke der DFB-Elf daher schon auch die Daumen – wenn es nicht gerade gegen uns geht.

Hat Ihr österreichischer Vater eigentlich ­gejubelt, als Sie sich für die ÖFB-Elf ­entschieden haben?
Er hat mich nie dazu gedrängt, hat nie ­versucht, es mir besonders schmackhaft zu machen. Das habe ich ganz alleine für mich entschieden. Aber ich glaube, er empfindet schon einen gewissen Stolz, dass meine Wahl auf sein Heimatland gefallen ist. Ebenso wie die ganze Verwandtschaft von seiner Seite, die alle in Österreich leben und damit ­natürlich noch viel mehr verbinden.

Wie schwierig ist es, als Halb-Deutscher in der österreichischen Nationalmannschaft zu spielen?
In den Jugendmannschaften, als ich relativ frisch beim ÖFB war, da musste ich mir schon so einiges anhören. Früher nannten sie mich auch mal Piefke. Das war ein gängiges Wort, aber böse war es nicht ­gemeint. Es entspricht eben einfach ein ­bisschen den Tatsachen. Diese Zeit ist aber lange vorbei. Ich bin nun voll und ganz ­anerkannt.

Jetzt sind die Teamkameraden froh, dass der Piefke da ist?
Das müssten Sie sie schon selber fragen. Ich habe aber das Gefühl, dass es richtig gut passt.

Und an diesem Dienstag geht es gegen die Deutschen. Wir groß ist Ihre Vorfreude?
Riesig. Das ist das Highlight für uns. Gerade weil die Rivalität so groß ist, genießt das Spiel in Österreich höchste Aufmerksamkeit. Es hätte kein attraktiveres Los für uns geben können, aber auch kaum ein schwereres.

Was bedeutet die Partie für Sie persönlich?
Gegen Deutschland zu spielen, wird immer etwas Besonderes für mich sein. Ich habe das ja schon ein paar Mal erlebt, und es war immer toll – trotz der Niederlagen. Ich werde aber trotzdem nicht besonders aufgeregt sein oder mit einer Extraportion Rivalität ins Spiel gehen. Ich freue mich einfach ­darauf.

Ist es ein Vorteil, dass neben Ihnen noch acht weitere Akteure aus dem österreichischen Kader in der deutschen Bundesliga spielen?
Ich kenne die deutsche Nationalmannschaft sehr genau. Ich weiß schon, wer mir da gegenübersteht.

Ihr VfB-Kollege Cacau wird nicht dabei sein.
Das ist schade. Ich hätte gerne gegen ihn und auch gegen Serdar Tasci gespielt. Es ist immer noch schöner, wenn Teamkameraden auf der anderen Seite stehen. Aber in Per Mertesacker gibt es ja immerhin einen ehemaligen Mannschaftskollegen aus Bremer Zeiten, gegen den ich dann hoffentlich ­spielen werde.

Rechnen Sie sich Chancen aus?
Es  ist immer das Spiel David gegen ­Goliath, und das wird es auch immer ­bleiben. Aber im letzten Duell in Wien (1:2 in der EM-Qualifikation, d. Red.) waren wir sehr nah dran, zumindest einen Punkt zu holen. Viele, selbst Deutsche, hätten uns sogar den Punkt oder auch den Sieg gegönnt. Das konnte man sogar aus der deutschen Presse herauslesen – und das will etwas heißen. Aber, nun ja, selbst dieses Spiel haben wir verloren. Wir treten aber am Dienstag sicher nicht an, um Schadenbegrenzung zu betreiben, sondern wir versuchen den Deutschen zumindest einen Punkt abzuluchsen.

Und am Ende fahren Sie mit Österreich als Gruppenzweiter hinter Deutschland zur WM nach Brasilien?
Das wäre natürlich ein Traum. Deutschland wird marschieren. Das er­wartet jeder. Unser großes Ziel ist der Platz dahinter. Um diesen werden wir uns ­wahrscheinlich mit Schweden und Irland streiten müssen. Deshalb ist es auch viel wichtiger, die Punkte gegen die anderen Gruppengegner zu holen als gegen Deutschland.

Wo liegen die Stärken des ÖFB-Teams?
Wir sind als Mannschaft sehr gut zusammengewachsen, haben unseren Kern gefunden. Zudem haben sich die Einzelspieler in den vergangenen zwei, drei Jahren sehr gut entwickelt. Gerade wenn man auf die Legionäre in der deutschen Bundesliga schaut: Von denen ist fast jeder Stammspieler in ­seinem Verein.

Wie erklären Sie sich eigentlich die Rivalität zwischen dem großen Deutschland und dem kleinen Österreich?
Das geht ja irgendwie mehr von unserer ­Seite aus. Es liegt vielleicht daran, dass wir uns in vielen Dingen an Deutschland orientieren. Oder weil wir nahezu die gleiche Sprache haben, und durch die Nähe ist das dann einfach so entstanden. Spiele gegen den großen Nachbarn sind Derbys, wie man sie aus dem Vereinsfußball kennt. Es ist aber nicht nur im Fußball so.

Wo Rivalität herrscht, herrschen auch Vor­urteile. Viele Deutsche denken ja, die ­Österreicher könnten super gut Ski fahren . . .
Das können wir, das auf jeden Fall.

. . . aber in anderen Sportarten sieht es eher mau aus. Bei den Olympischen Sommer­spielen neulich gab es keine einzige Medaille.
Ja,  Olympia war sehr enttäuschend, das war echt schade. Unser Prunkstück ist nun mal der Wintersport, da sind wir wirklich stark. Unser Anspruch ist auch in anderen Sportarten hoch, aber man darf nie vergessen, dass wir nicht das allergrößte Land sind. Aber gerade Fußball hat bei uns mittlerweile einen hohen Stellenwert. Das haben wir uns erarbeitet.

Österreich hat ja immerhin schon achtmal gegen Deutschland gewonnen – zuletzt bei der WM im argentinischen Cordoba. Das ist gerade einmal 34 Jahre her.
Es ist schade, dass Cordoba immer noch so ein Thema ist. Dass sich viele Österreicher immer noch so sehr daran erinnern, weil es einfach mehr oder weniger die einzige Schmach für Deutschland geblieben ist. Deswegen sind wir eigentlich immer bestrebt, da für einen neuen Punkt in der Geschichte zu sorgen – hoffentlich schon im kommenden Duell.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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