DFB-Pokal

Die Treuesten haben schlechte Karten



Es ist der Saisonhöhepunkt – doch viele Anhänger des VfB Stuttgart schauen in die Röhre, wenn am 1. Juni das DFB-Pokalfinale steigt. Zahlreiche Fans bekamen keine Karten und verlangen vom VfB Klarheit über die Ticketvergabe.

Reinhart Wenzl aus Grimma in Sachsen ist an einem Heimspielwochenende des VfB immer auf Tour. 520 Kilometer einfach legt der Familienvater, der seit 50 Jahren Mitglied der VfB-Schiedsrichterabteilung ist und eine Dauerkarte hat, zurück. Sein Ziel: die Mercedes-Benz-Arena. Auch zum Spiel der Spiele, dem DFB-Pokalfinale am 1. Juni in Berlin gegen Bayern München, hatte er sich bei seinem Herzensclub um Tickets beworben. Er ging leer aus. Wie so viele der Treuesten der Treuen.

Edgar Praxl, seit 40 Jahren Dauerkartenbesitzer, seit 65 Jahren Club-Mitglied und obendrein aktives Mitglied der Montagskicker, bewarb sich im Losverfahren um Karten fürs Pokalfinale. Auch er bekam ein Absageschreiben. „Neulich habe ich einen Bekannten getroffen, der erst seit sechs Jahren Mitglied ist – er hat vier Karten bekommen. Das ist unglaublich, ich habe ihm nicht gratuliert“, sagt Praxl: „Das ist typisch VfB – Tradition wird eben kleingeschrieben.“

Viele VfB-Fans sind mächtig sauer

Friedemann Haug ist seit 39 Jahren Dauerkartenbesitzer und seit 19 Jahren Mitglied – auch er wird nicht nach Berlin reisen. Wenzl, Praxl und Haug teilen das Schicksal von Tausenden Fans und Mitgliedern, die ihrem Club teilweise jahrzehntelang die Treue schwören. Und denen als Dank dafür in ihrem Absageschreiben ein Rabatt von 20 Prozent beim nächsten Kauf eines Artikels in einem Fanshop in Aussicht gestellt wurde.

Viele Fans sind mächtig sauer. Weil sie das Gefühl haben, dass Treue im Losverfahren nicht berücksichtigt wurde. Und weil sie die Informationspolitik des VfB enttäuscht. „Wir wollen wissen, welche Kreise welche Tickets bekommen haben – wir wollen eine genaue Aufschlüsselung“, schreibt Haug in einem Brief an unsere Zeitung. Der Vorwurf der Geheimniskrämerei, er steht im Raum.

21 000 Karten hat der Club aus Cannstatt vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) fürs Finale erhalten, 51 000 Anhänger bewarben sich um Tickets. Der VfB konnte entscheiden, wie er diese Tickets unter seinen Fans aufteilt – über die Aufschlüsselung, so sagt ein Sprecher, wolle der Club aber keine ­genaue Auskunft erteilen: „Wir werden ­keine genauen Zahlen veröffentlichen.“

Wer eine Dauerkarte hat, konnte sich auf eine Finalkarte bewerben

Nur so viel ist bekannt: Jedes Mitglied konnte sich für eine Karte bewerben, die offiziellen Fanclubs kamen zum Zug, ebenso die Businesskunden – und auch die Dauerkartenbesitzer hatten die Chance auf Tickets, wobei sich auch unter ihnen Ärger breitmachte.

Wer eine Dauerkarte hat, konnte sich auf eine Finalkarte bewerben – so weit, so gut. Wer aber zwei bis fünf Saisontickets besitzt, hatte die Chance auf lediglich zwei Tickets. Wer sechs bis zehn Dauerkarten hat, konnte sich nur auf drei Endspieltickets bewerben. Und wer mehr als zehn Dauerkarten hat, konnte maximal fünf Tickets anfordern.

Die Dauerkartenbesitzer forderten deshalb gleiches Recht wie die Mitglieder, sprich: Wer zehn Dauerkarten besitzt, soll sich bitte schön auch auf zehn Finalkarten bewerben können. Wie bei den Mitgliedern solle auch bei den Dauerkarteninhabern der Schlüssel eins zu eins gelten. Auch hier fiel das Stichwort Treue – vom VfB war daraufhin nur zu hören, dass man bei der Vielzahl an Bestellungen irgendwo anfangen müsse, Grenzen zu ziehen. Welche Gruppierung nun welchen Anteil an Tickets bekam, darüber gibt der VfB, wie von den Fans gefordert, jedenfalls weiter keine genaue Auskunft.

Klar ist nur, dass jene 400 Anhänger, die zu jedem Heim- und Auswärtsspiel reisen und eine Auswärtsdauerkarte haben, Pokalfinaltickets bekamen. Darüber hinaus nahm der VfB bei der Verteilung der Karten unter den offiziellen ­Fanclubs Unterscheidungen vor. Jene Fanclubs, die häufiger Spiele des VfB besuchten, hatten größere Chancen, zum Zug zu kommen, als jene, die seltener zu Gast waren. Eine Auskunft über die genaue Verteilung gab der VfB auch hier nicht. „Die Vergabe bei den Fanclubs haben wir aber demokratisch im Fan-Ausschuss besprochen, das war ein gelebter Prozess“, sagt ein VfB-Sprecher.

Der VfB betont, es habe keine Absprache mit den Ultras gegeben

Dennoch – viele Anhänger, die leer ausgingen, befürchten, dass der VfB die in einigen Punkten vereinskritische Ultra-Gruppierung Commando Cannstatt bevorzugt habe, um den lieben Frieden zu wahren. Oliver Schaal, Vorsitzender der ­Ultra-Gruppierung, widerspricht dem vehement. „Es gab weder formell noch informell eine Absprache mit dem VfB in diese Richtung, es gab keine Sonderbehandlung.“

Weil unter den 1100 Mitgliedern in der Fördergruppe des Commandos Cannstatt aber viele Fans mit Auswärtsdauerkarten seien und die Ultras zu jenen Gruppierungen zählten, die häufiger als andere die Spiele besuchten, seien sie bei der Vergabe der Endspieltickets nicht schlecht weggekommen, sagt Schaal. Eine genaue Zahl wollte er aber nicht nennen. Wie der VfB, der ebenfalls betont, dass es keine Absprache mit den Ultras gegeben habe.

Stabsdirektor Stefan Heim sagt, dass der VfB die Auslosung so kundenfreundlich wie möglich gestaltet habe: „Deshalb war bei unserer Verlosung der Karten – im Gegensatz zu Finalgegner Bayern München – auch kein Notar dabei. Die Bayern haben im Gegensatz zu uns bei ihrer Verlosung keine Unterscheidungen bei den Fan-Gruppierungen gemacht. Deshalb lief in München alles über eine Software – und die macht es einem Notar leicht, alles zu überwachen“, sagt Heim. Der VfB habe dagegen viele Interessengruppen einzeln berücksichtigt, es habe keine Software gegeben – deshalb hätte ein Notar erst eingearbeitet werden müssen, was wiederum den Ticketvergabe-Prozess verlangsamt hätte, sagt Heim: „Bei uns war es aufgrund der Tatsache, dass wir so viele Fan-Gruppierungen berücksichtigt haben, ein so komplexes Verfahren, dass wir keinen Aufseher hinzugezogen haben.“

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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