2. Liga

Herr Heldt, sind Sie schuld am Abstieg des VfB?

Was der frühere VfB-Manager Horst Heldt über die Vorwürfe gegen seine Person sagt und wo er die Ursachen für den Abstieg des VfB Stuttgart sieht. Im Interview spricht der 46-Jährige Klartext.


„Der VfB ist in die Falle getappt“ – sagt Horst Heldt.

Horst Heldt (46) hat gerade Urlaub in Miami gemacht, mit seiner Frau und seinem Sohn. Dort ist er auch einmal beim Baseball gewesen. „Aber von dieser Sportart verstehe ich nichts“, sagt der Manager – und redet anschließend über ein Thema, bei dem er sich auskennt: also über den Fußball im Allgemeinen und den VfB Stuttgart im Besonderen.

Herr Heldt, mal angenommen, Sie wären gerade Manager beim VfB Stuttgart – was würden Sie dann aktuell nach dem Abstieg aus der Bundesliga als Erstes machen?
Ich bin nicht VfB-Manager, aber das Wichtigste ist jetzt sicherlich, dass der Kader ­zusammen mit dem Trainer so schnell wie möglich geplant und gestaltet wird.

Was ist dabei die größte Herausforderung ?
Die Ausgangslage hat sich verändert. ­Zuletzt ist der VfB ja oft als Außenseiter in eine Partie gegangen – in der zweiten Liga ist die Mannschaft praktisch immer der Favorit. Das ist eine ganz anders gelagerte Drucksituation, auf die man sich einstellen muss. Der VfB wird in der kommenden Saison von allen gejagt werden. Und das bedarf künftig eines anderen Auftretens. Das muss als Erstes in die Köpfe der Spieler.

Wird diese Drucksituation nicht noch größer, weil der VfB sofort den Wiederaufstieg als Ziel ausgerufen hat?
Etwas anderes wäre auch gar nicht vermittelbar gewesen. So selbstbewusst muss der Verein schon sein – obwohl es alles andere als einfach wird. Denn aufsteigen wollen viele – da wird es zur Sache gehen. Diesen Kampf muss man annehmen und sich ­darauf einstellen, dass der Weg lang und ­beschwerlich wird.

Einen Weg, den der VfB mit dem Trainer Jos Luhukay beschreitet.
Jos Luhukay weiß, wie das geht, weil er schon Gladbach, Augsburg und Hertha BSC nach oben geführt hat. Seine Erfahrung ist eine wichtige Voraussetzung.

Gesucht wird dagegen noch ein Manager. Könnten Sie sich eine Rückkehr zu Ihrem ­alten Club vorstellen?
Diese Frage stellt sich zurzeit nicht.

Was für einen Managertyp braucht der VfB denn ganz allgemein?
Ich bin überzeugt, dass die handelnden Personen im Verein genau wissen, was sie wollen. Aus meiner Sicht ist es jedoch so, dass es nicht sinnvoll wäre, ein Experiment zu starten. Der Manager trifft richtungweisende Entscheidungen. Erfahrung ist da genauso hilfreich wie auf der Trainerposition, wo der VfB ja nicht umsonst auf Jos Luhukay setzt.

Priorität hat die Kaderplanung, sagten Sie. Auf welche Spieler würden Sie dabei bauen?
Aus der Ferne ist das schwer zu beurteilen, aber auf jeden Fall ist es positiv, dass der Kapitän Christian Gentner signalisiert hat, bleiben zu wollen. Er kann eine Stütze sein. Insgesamt muss aber die Mischung stimmen. In diesem Zusammenhang ist es sehr schade, dass der VfB seine Philosophie mit den jungen Spielern aus dem eigenen Nachwuchs in den letzten Jahren vernachlässigt hat. Das war immer ein Pfund für den Club. Umso fataler ist es deshalb, dass jetzt auch die zweite Mannschaft aus der dritten Liga abgestiegen ist. Das wirft den VfB in diesem Bereich weiter zurück.

Sie kennen den Verein und sein Umfeld – was führte zu dem Abstieg aus der Bundesliga ?
Der VfB ist in eine Falle getappt, weil er sich seiner Sache im Februar und März zu sicher war. Andere wie Darmstadt, Bremen oder Frankfurt wussten immer, dass es für sie bis zum Schluss nur um den Klassenerhalt geht. Dagegen hat der VfB schon an die Europa League gedacht – und dann kam Panik auf, als es wieder in die andere Richtung gekippt ist. Es wurden falsche Entscheidungen getroffen.

War das Trainingslager auf Mallorca vor der wichtigen Partie am 2. Mai in Bremen ein Ausdruck der Panik?
Über diese Maßnahme habe ich mich schon sehr gewundert. Dass man sich auf das Schlüsselspiel in Bremen an einem Ort vorbereitet hat, an dem eher Urlaubsgefühle aufgekommen sein dürften. Da gab es im Club offenbar kein Regulativ mehr, um so etwas zu verhindern.

Kritiker sagen zudem, es herrschte beim VfB der Eindruck, die Ausgliederung sei bedeutsamer als das Geschehen auf dem Platz.
Stimmt, dabei ist es ein Irrglaube zu denken, dass man ausgliedern muss, um erfolgreich sein zu können. Schalke und Mainz beweisen das Gegenteil. An der Preisschraube bei Eintrittskarten, Bier und Bratwurst darf man nicht mehr drehen. Es gibt jedoch innovative und teilweise bessere Möglichkeiten, einen Verein zukunfts­fähig zu machen. Man kann neue ­Geschäftsfelder erschließen, um mehr Umsätze zu generieren. Dazu muss man sich allerdings breiter aufstellen und neuen Ideen öffnen. So haben wir bei Schalke ­zuletzt ­eSport-Teams gegründet – dieser Computerspielmarkt bietet beachtliche Perspektiven, auch in finanzieller Hinsicht.

Der VfB war dagegen in der Vergangenheit eher konservativ ausgerichtet – oder hatten Sie während Ihrer Zeit als Stuttgarter ­Manager einen anderen Eindruck?
Ich habe den Club so erlebt, dass die Finanzpolitik die Richtung vorgab und man nicht bereit war, ein größeres kalkulierbares Risiko einzugehen. Das war ein gravierendes Problem, mit dem auch mein Nachfolger Fredi Bobic zu kämpfen hatte – ob die Verantwortlichen das nun wahrhaben ­wollen oder nicht. Mit Weitblick hätte man schon erkennen müssen, dass eine Stabilisierung zumindest in der oberen Tabellenhälfte wichtig gewesen wäre. Zusatzeinnahmen erzielt man am ehesten über gute Platzierungen in der Bundesliga und mit den damit verbundenen TV-Honoraren. Dafür muss man aber in den Kader investieren. Stattdessen wurde ständig der Etat gekürzt – das war der ­Kardinalfehler in Stuttgart.

Wozu führte diese Denkweise?
Man kann nicht ständig von der Champions League träumen und gleichzeitig die Personalkosten reduzieren. Das ist ein Widerspruch in sich. So hatte ich beim VfB immer die klare Vorgabe des Aufsichtsrats, dass ­mindestens die schwarze Null stehen muss. Deshalb mussten wir stets erst selbst Transfereinnahmen erzielen, ehe wir unsererseits auf dem Transfermarkt aktiv werden konnten. Manch ein Spieler, den wir hätten verpflichten können und der uns weitergebracht hätte, war dann nicht mehr auf dem Markt.

Kritiker sagen aber, unter Ihnen sei der Niedergang eingeleitet worden, weil Sie es nicht schafften, den Erfolg zu konservieren. Sie seien schuld am Abstieg. Was entgegnen Sie?
Dass eine solche Bewertung eine Frechheit ist. Bleiben wir bei den Tatsachen: In meinen vier Jahren als Manager wurden wir Meister, standen im Pokalfinale und haben immer international gespielt – zweimal ­sogar in der Champions League. Der Erfolg war also stets da. Und ich habe die Mannschaft in geordneten Verhältnissen und in der Europa League übergeben. Meine ­beiden letzten Transfers für den VfB im Sommer 2010 hießen Christian Gentner, ablösefrei aus Wolfsburg, und Martin Harnik für 300 000 Euro aus Bremen. Dazu hatte der VfB in Christian Gross einen erfahrenen Trainer. Aber die Vergangenheit als Alibi für eigene Fehlentscheidungen ­anzuführen, anstatt selbst Verantwortung zu übernehmen – vielleicht ist auch das ein Grund für den sportlichen Niedergang.

Wie fällt angesichts dessen das Fazit Ihrer Zeit beim VfB aus?
Es ist schlecht, wenn der Fußball in einem Fußballverein nicht im Mittelpunkt steht.

Hätten Sie darauf bei den Verantwortlichen energischer hinweisen müssen?
Das habe ich schon mit Nachdruck getan. Mir war klar, dass es so auf Dauer nicht mehr funktionieren wird und dass so keine Erfolge mehr möglich sind. Deshalb bin ich dann ja auch gegangen.

Sie selbst haben keine Fehler gemacht?
Natürlich habe ich die gemacht. Nicht jede Einzelentscheidung hat sich als richtig erwiesen. Aber Fakt ist, dass die grundsätzliche Ausrichtung nicht gestimmt hat, vor allem in den Jahren nach meinem Weggang 2010 nicht. Dadurch ist der VfB in diese ­Abwärtsspirale gekommen.

Auf Schalke lief und läuft das anders?
Die beiden Vereine kann man gar nicht miteinander vergleichen. Bei Schalke mussten wir zwar auch Verbindlichkeiten abbauen, was wir in einer Größenordnung von mehr als 100 Millionen Euro geschafft haben.

Aber?
Dort steht der Fußball im Mittelpunkt.

Ihr Vertrag wurde jetzt nicht verlängert. Deshalb könnte erstmals nach 26 Jahren eine Saison beginnen, ohne dass Sie involviert sind – sei es als Spieler oder als Manager. Was ist das für ein Gefühl?
Es ist sicher gewöhnungsbedürftig, aber ich werde die Zeit nutzen. Ich bleibe nah dran am Fußball, doch einen neuen Job übernehme ich nur, wenn ich erkenne, dass der entsprechende Verein ein langfristiges und stimmiges Konzept verfolgt.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


Mummi [Linked Image]