2. Liga

Stuttgarter Fortschritte, Stuttgarter Rückschritte

Der VfB kommt voran. Allerdings nicht so schnell wie die beiden Außenstürmer Mané und Asano die Angriffe beim 3:1 gegen den 1. FC Nürnberg vorgetragen haben. Was bisher gut läuft beim VfB und wo es noch Probleme gibt – ein Überblick.


Der VfB (im Bild Takuma Asano) ist auch über Nürnberg nicht gestolpert

Der Trainer hat sich erst einmal zurückgenommen. Nachdem Hannes Wolf seine Spieler nach dem Erfolg gegen den 1. FC Nürnberg geherzt hatte, stand der Trainer des VfB Stuttgart im Mittelkreis. Bei ihm waren sein Co-Trainer Miguel Moreira und der Manager Jan Schindelmeiser. Die Drei von der sportlichen Leitung des Fußball-Zweitligisten ließen das 3:1 Revue sofort passieren. „Ich bin froh, dass wir das dritte Tor vor der Fankurve erzielt haben und so die Menschen glücklich nach Hause gegangen sind“, sagt Wolf – und blickt auf seine Mannschaft. Ein Team, das Fortschritte macht, aber auch ein Team, das noch Defizite aufweist. Ein Überblick:


Die zunehmende Stabilität

Zu den positiven Entwicklungen beim VfB gehört, dass die Defensive stabiler wird. Das hat viel damit zu tun, dass die Mannschaft nach hinten besser zusammenarbeitet. Es hat aber auch damit zu tun, dass Timo Baumgartl in die Rolle des Abwehrchefs hineinwächst – unabhängig davon, ob es sich um eine Viererkette wie gegen Nürnberg handelt oder um eine Dreierkette wie zuvor in Berlin. Der 20-Jährige ist momentan der Fixpunkt im Abwehrzentrum, weil er sich zweikampfstark präsentiert, immer wieder gute und schnelle Pässe nach vorne spielt und auch organisiert.

„Das klappt, weil ich mich auf meine Nebenleute verlassen kann“, sagt Baumgartl. Marcin Kaminski ist da zunächst. Im Verbund mit dem Polen schalteten die beiden Innenverteidiger den Torjäger Guido Burgstaller aus. Rechts verteidigte der Franzose Benjamin Pavard mit der ihm eigenen Lässigkeit und Eleganz, aber auch mit zunehmender Ernsthaftigkeit und Robustheit. Links postierte sich wie gewohnt der Argentinier Emiliano Insúa – und trotz des Nationalitäten-Mixes klappt auch die Kommunikation untereinander jetzt besser. In der Abwehr-Amtssprache Englisch.


Das hohe Offensivtempo

Schnell ging es beim VfB auch diesmal zu. Zu schnell für die Nürnberger wie der Gästetrainer Alois Schwartz hinterher zugeben musste: „Es ist schon traurig, dass man genau davor warnt und wir trotzdem schon nach drei Minuten in Rückstand geraten.“ Die Flügelflitzer Carlos Mané und Takuma Asano hatten gleich eine erste Kostprobe ihrer Klasse geboten – und vorne gibt es zudem einen Simon Terodde, der den Angriffsschwung mit Toren veredelt.

Doch die beiden kleinen Fußballkünstler aus Portugal und Japan offenbaren im Umgang mit dem Spielgerät auch immer wieder Sorglosigkeit. „In der Balance zwischen Risikobereitschaft und Verantwortungsgefühl müssen wir noch nachjustieren“, sagt der Manager Jan Schindelmeiser – besonders mit Blick auf Mané. Denn die Leihgabe von Sporting Lissabon bereitete in ihren besten Momente drei Tore mit vor, in vielen anderen Augenblicken war das Dribbling aber beendet, noch ehe es richtig Tempo aufgenommen hatte.


Der mutige Trainer

Mit der alten Trainerweisheit „never change a winning team“ braucht man dem jungen VfB-Trainer nicht zu kommen. Hannes Wolf würde seine Elf nur dann unverändert lassen, wenn er davon überzeugt wäre, dass dies sowohl personell als auch taktisch erfolgsversprechend ist – und das passiert praktisch so gut wie nicht, da der 35-jährige Fußballlehrer seine Mannschaft von Spieltag zu Spieltag neu ausrichtet.

Das erfordert eine größere Flexibilität auf Spielerseite und auf Trainerseite den Mut, prominente Profis zunächst nicht einzusetzen. Gegen Nürnberg traf es Kevin Großkreutz, der nach abgesessener Gelbsperre nicht automatisch in die Anfangself rückte. „Natürlich ist das hart für ihn, aber wir wollten Benjamin Pavard bringen, da wir mit vielen hohen Bällen auch auf die Außenpositionen gerechnet haben“, sagt Wolf. Ein Problem ergibt sich daraus aber noch nicht. „In der Gruppe verhalten sich derzeit alle sehr gut“, sagt der Trainer, der sich bisher an ein Prinzip hält: „Es gibt Frust, aber keine abgeschriebenen Spieler.“


Die fehlende Dominanz

Der Anfang hat auf VfB-Seite Hoffnung auf mehr gemacht. Auch Jan Schindelmeiser. Doch der Manager lässt sich nicht so sehr von Wunschdenken leiten. Er weiß, dass die Stuttgarter noch nicht so gefestigt sind, um ein Spiel souverän und konsequent durchspielen können. Selbst oder gerade nach der frühen Führung durch Simon Terodde. „Die Mannschaft durchläuft eine Entwicklung, die zwar stetig nach oben geht, aber eben auch Rückschritte beinhaltet“, sagt Schindelmeiser.

Dominanz üben die Stuttgarter so noch nicht aus. Auch, weil sie nach guten Balleroberungen die Kugel schnell wieder verspielten. Das bemängelt auch der Trainer Hannes Wolf, der jedoch betont: „Wir werden es in dieser Saison gar nicht schaffen, einen Gegner über 90 Minuten zu beherrschen. Trotzdem können wir Spiele gewinnen.“ Was auch der spielerischen Schwäche vieler Konkurrenten geschuldet ist. Gegen den Club schaffte es der VfB sogar, in seiner anfälligsten Phase den Treffer zum 2:0 durch Simon Terodde zu erzielen (33.).


Die große Herausforderung

Das nächste Spiel für den VfB steht am Sonntag in Aue an – dem Sinnbild für die Provinzialität der zweiten Liga und ebenso der rustikalen Spielweise. Zumal der Aufsteiger im Abstiegsschlamassel steckt. „Ein richtiges Schweinespiel“, nennt es Manager Jan Schindelmeiser, weil er vor einem frenetischen Publikum mehr mit Kampf und weniger mit Technik rechnet.

Für die Stuttgarter ergibt sich daraus ein erneuter Charaktertest. Denn der Saisonverlauf zeigt, dass die Gegner dem VfB zwar nicht ständig spielerisch alles abverlangen, ihn körperlich und emotional aber schon an Grenzen führen, vor allem auswärts. Siehe das 0:5 in Dresden. Und wie sagt Trainer Hannes Wolf mit Blick auf das restliche Jahresprogramm so schön: „Für die nächsten drei Wochen haben wir noch ein paar Themen, bei denen wir uns steigern wollen.“

Quelle: Stuttgarter Zeitung


Mummi [Linked Image]