VfB-Stürmer Daniel Ginczek

„Es geht nicht um die Frage: Er oder ich“

VfB-Angreifer Daniel Ginczek spricht im Interview über seine lange Leidenszeit, die Perspektiven mit dem VfB Stuttgart und Vorbilder auf dem Fußballplatz.

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Daniel Ginczek (li) betont: „Mein Verhältnis zu Simon Terodde ist absolut gut.“

Hallo Herr Ginczek, was macht Ihre Trainingsverletzung?
Alles halb so wild. Das linke Knie wurde etwas gestaucht. Es war aber sehr schnell klar, dass nichts passiert ist. Mittlerweile kann ich gut in meinen Körper hineinhören.
Sie sind ein gebranntes Kind.

Mit 26 können wohl nicht sehr viele Fußballer auf drei schwere Verletzungen zurückblicken (zwei Kreuzbandrisse, ein Bandscheibenvorfall; d. Red.). Mittlerweile versuche ich aber, das Positive herauszuziehen. Ich gehe bewusster mit meinem Körper um. Im Training, aber auch in Sachen Ernährung.

Die VfB-Fans erlebten bange Minuten, als Sie mal wieder vom Platz humpelten.
Sie leiden nach meinen vielen Verletzungen eben mit (lacht).

Außerdem machten sie sich Sorgen um den Saisonendspurt. Sie verletzt, und Simon Terodde nach vier gelben Karten womöglich noch gesperrt. Wer sollte dann die Tore schießen beim VfB?
Dann hätten wir statt eines „Luxusproblems“ plötzlich ein Problem im Angriff. Unser festes System mit echtem Stoßstürmer würden wir dann wohl umstellen und vielleicht mit einer falschen Neun spielen. Da gäbe es schon Optionen. Aber es ist ja nichts passiert. Simon und ich sind am Sonntag gegen Erzgebirge Aue fit.

Sie sind schon wieder bei hundert Prozent?
Würde ich mittlerweile schon sagen, ja. Wenn noch etwas fehlt, dann holt man sich die restlichen paar Prozent über Spielpraxis. Und davon bekomme ich ja auch immer mehr. Die 45 Minuten von Nürnberg liefen schon viel besser als die eine Halbzeit Mitte März in Fürth, auch konditionell.

Fehlt nur noch ein Einsatz über die volle Distanz.
Ich mache mir da überhaupt keinen Druck. In den letzten drei Saisonspielen steht der Erfolg der Mannschaft über allem. In der neuen Saison ist es schon mein Ziel, möglichst oft von Anfang an zu spielen.

Auf Ihrer Position spielt aber Simon Terodde. Und zwar sehr gut. Er schießt Tore wie am Fließband.
Im Moment gibt es für unseren Trainer ja auch gar keinen Grund, an unserem System mit nur einem zentralen Angreifer etwas zu ändern. Langfristig sind aber sicher auch andere Varianten denkbar. Wir haben ja schon einiges probiert. In Nürnberg habe ich nach meiner Einwechslung hinter ihm gespielt, quasi als Zehner. Es geht nicht um die Frage: Er oder ich.

Sie haben also kein konkurrierendes Verhältnis?
Letztlich sind in einer Fußballmannschaft alle Spieler irgendwie auch Konkurrenten. Zu Simon pflege ich dennoch ein absolut gutes Verhältnis. Das zeigt sich schon darin, wie er sich über meine Tore freut – und umgekehrt. So soll es auch sein. Von uns würde sicher niemand mit dem anderen nicht mehr reden, nur weil er seinen Stammplatz verloren hat, so wie ich es auch schon erlebt habe.

Wer war die beleidigte Leberwurst?
(lacht). Spielt schon lange nicht mehr hier . . .

Eine immer noch aktuelle Diskussion: Gibt es zu wenige klassische Mittelstürmer in Deutschland?
In der Vergangenheit hat sich da eine kleine Lücke aufgetan. Im Übrigen auch bei den klassischen Außenverteidigern, nur stehen die Stürmer mehr im Fokus. Es hat sich mittlerweile aber gezeigt, dass die wenigsten Mannschaften ohne eine echte Kante vorne drin auskommen.

Mit Terodde und Ihnen gibt es zwei Parade-Mittelstürmer, und dann auch noch im selben Verein. Fliegt man in der zweiten Liga unter dem Radar des Bundestrainers – selbst wenn man 30 Tore pro Saison schießt?
Meines Wissens gab es außer Lukas Podolski zu seiner Kölner Zeit keinen Spieler, der je für die Nationalmannschaft nominiert worden wäre. Und das auch aus gutem Grund. Das Niveau in der Bundesliga ist noch mal ein anderes, gerade auch unter den Verteidigern. Das werde ich kommende Saison hoffentlich auch wieder zu spüren bekommen.

Haben Sie die Nationalmannschaft im Hinterkopf? Immer noch oder schon wieder?
Als ehrgeiziger Spieler hat man das natürlich irgendwie. Aber im Moment ist das absolut kein Thema für mich. Jetzt geht es einzig und allein darum, dass wir am 21. Mai unser großes Ziel erreichen. Mit 26 bin ich im besten Fußballeralter – mir bleibt also noch Zeit, um voll anzugreifen.

Worin unterscheidet sich der Aufstiegskampf eigentlich vom Kampf gegen den Abstieg? Sie kennen beides nur zu gut.
Vor allem in Sachen Abstiegskampf bin ich Experte (schmunzelt). Ich würde sagen, der Druck ist ein anderer, wenn du oben mitspielst. Im Moment haben wir einen positiven Druck. Wenn Du meistens gewinnst, ist die Stimmung in der Mannschaft und im Umfeld einfach eine andere, das beflügelt. Die Anspannung im Abstiegskampf empfand ich immer eher als belastend.

In Stuttgart herrscht aber auf alle Fälle der Druck, aufsteigen zu müssen.
Mag sein, dass das bei manchen unserer Konkurrenten in dieser Form nicht zutreffen mag. Aber wir laufen nicht mit wackligen Knien auf den Platz. Wir haben gelernt, mit der Erwartungshaltung umzugehen.

In den vergangenen beiden Jahren ...
... war die Situation belastender. Ich weiß noch, wie ich vor dem Spiel damals in Paderborn kaum schlafen konnte.

Seit diesem Spiel mit ihrem Tor genießen Sie bei den Fans Heldenstatus.
Die Zuneigung, die mir wie der ganzen Mannschaft im Moment entgegengebracht wird ist schon fantastisch. Über 50 000 Zuschauerschnitt in der zweiten Liga – wer weiß, ob es das jemals wieder geben wird? Und der Jubel bei meinem Comeback ging mir echt unter die Haut. Ich hoffe aber, dass mich die VfB-Fans nicht für immer nur mit meinem Siegtor in Paderborn in Verbindung bringen werden.

Wie würden Sie die aktuelle Mannschaft im Vergleich zu den vergangenen Jahren charakterisieren?
Ich denke, man sieht auf dem Platz, dass wir eine Einheit sind. Das war im Jahr des Abstiegs stellenweise anders, da gab es schon eher Grüppchen. Was aber auch normal ist, wenn es nicht läuft. Umgekehrt schweißt dich der Erfolg zusammen. Und unser Trainer gibt jedem zu verstehen, dass er dazugehört – auch wenn er nicht spielt.

Sie hatten in den entscheidenden Phasen Ihrer Karriere viel Pech. Zwei Kreuzbandrisse, ein Bandscheibenvorfall, dazu zwei Abstiege mit dem VfB und dem 1.FC Nürnberg. Waren Sie oft zur falschen Zeit am falschen Ort?
Sehr hypothetische Frage. Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich mich nicht dreimal schwer verletzt hätte. Vielleicht wäre gar nicht beim VfB gelandet.

Ihre Karriere hätte eine ganz andere Wendung nehmen können.
Wer weiß das schon. Ich möchte Vergangenem nicht hinterher trauern. Fakt ist, dass ich mich im Moment sehr wohl fühle – körperlich, und hier beim VfB Stuttgart sowieso. Ich hoffe, dass ich noch viele Jahre als Profi vor mir habe. Wenn man sich anschaut, wie Cristiano Ronaldo mit 32 spielt...

Ihr Vorbild?
Ich schaue häufig seine Spiele. Seine Athletik, sein Torabschluss und vor allem seine Torausbeute – das ist schon phänomenal.

Mit einem Duell Ginczek gegen Ronaldo auf dem Platz dürfte es aber schwierig werden.
Mit dem VfB in der Champions League gegen Real Madrid – das wäre was! (lacht). Aber Spaß beiseite. Für uns geht es einzig und allein um den Aufstieg. Mit etwas anderem beschäftigen wir uns nicht.

Haben Sie sich schon etwas überlegt für den Fall des Aufstiegs? Eine große Sause? Oder ein neues Tatoo?
Ehrlich gesagt nein. Fest steht nur, dass meine Tochter am Tag nach dem letzten Spiel Geburtstag hat. Aber eine ordentliche Feier werden wir schon hinbekommen – daran soll’s nicht scheitern.

Quelle: Stuttgarter Zeitung


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