Bundesliga

Warum die Krise auch eine Chance ist

Ganz gleich wie die Saison für den VfB Stuttgart noch endet: Erst dann beginnt der eigentliche Kampf gegen den Abstieg. Und das Beispiel von Borussia Mönchengladbach lehrt: Die Krise ist auch eine Chance.


Sportvorstand Dutt: Harte Arbeit, klare Konzepte

Vielleicht übt Robin Dutt schon heimlich vor dem Spiegel. Zwei, drei Tage nach Saisonschluss wollen die Meister in der Pannenwerkstatt vom Cannstatter Wasen das Tüv-Gutachten ihres bedrohten Unternehmens präsentieren. Der Mängelbericht, so ist zu hören, ist derart lang, dass sich niemand darüber wundern würde, wenn die Geisterfahrten der vergangenen Jahre doch noch in der Sackgasse der zweiten Liga enden sollten. Weil Dutt aber nicht zu denen gehört, die den Weltuntergang zum Lebensinhalt erkoren haben, zeigt das Testat Punkt für Punkt auch auf, wie dem VfB Stuttgart die Flucht aus dem Labyrinth seiner Irrwege gelingen könnte. Ob Zufall oder nicht. Manches daran erinnert an die Wiederauferstehung von Borussia Mönchengladbach. Die wesentlichen Punkte: • Überzeugende Konzepte und klare Ziele in allen Geschäftsbereichen.• Straffung der Hierarchien, Bündelung vorhandener Ressourcen, kurze Entscheidungswege.•­ Eine identitätsstiftende und durchgängige Spielphilosophie.• Zeitgemäße Vereins-Strukturen. • Hoch qualifiziertes Personal auf allen Leitungsebenen. • Kontinuität in der Besetzung wichtiger Positionen.• Konstruktiv-kritische Einbindung der Fans in die Vereinsarbeit. • Keine leeren Versprechungen.

Es gab Zeiten beim VfB Stuttgart, da lasen sich solche Programme wie Auszüge aus den Poesie-Alben der Präsidenten und ihrer Sportdirektoren. Und mit jeder neuen Horrortour durch die Abstiegszone wuchs die Sehnsucht der weiß-roten Glaubensgemeinschaft nach einem Wunderheiler. Zuletzt, als Bernd Wahler, das Remstal-Gewächs mit Brustring in der Vita, von den Mitgliedern mit 97,4 Prozent der Stimmen auf den Schild des schwäbischen Messias gehoben wurde. Die Enttäuschung wuchs rasch, als auch er nicht übers Wasser gehen konnte. Doch bei Lichte betrachtet machte der ehemalige Adidas-Manager nur zwei Fehler: Er unterschätzte die normative Kraft seiner Worte und er zögerte zu lange, bremsend wirkende Machtgeflechte im Club zu zerschlagen.

Die Causa Fredi Bobic ist inzwischen erledigt, Sportdirektor Jochen Schneider sucht andernorts neue Herausforderungen, Finanzvorstand Ulrich Ruf wechselte in den vorgezogenen Ruhestand, Kommunikationschef Max Jung wurde durch den aus Wolfsburg zurückgekehrten Oliver Schraft ersetzt. Aufsichtsratsmitglied Hansi Müller wurde freiwillig zurückgetreten, als er in der Trainerfrage seinen österreichischen Freunden im Fernsehen versehentlich verriet, was in Stuttgart schon jeder wusste. Und so wie der Flurfunk im Wasen-Kreml meldet, wird es nicht die letzte Personalie sein, mit der die Pannenmeister um Wahler und Dutt die neuen Zeiten einzuläuten gedenken.

Das alles mit Unterstützung eines Aufsichtsrats, der sich als Treiber versteht für die neu zu schreibende Software des Vereins. Der von Teilen der Fans mit Argwohn bedachte Joachim Schmid versieht den Vorsitz im Stile eines Fulltime-Jobs. Früher tagte das Kontrollgremium nur sporadisch, inzwischen ächzen die Mitglieder unter den Anforderungen ihres ehrenamtlichen Engagements. Telefonkonferenzen zwischen 7 Uhr und 8.30 Uhr morgens gelten als Krönung ihres Wirkens. Da traf es sich nicht gut, dass die Cannstatter Kurve jüngst die Arbeit der Kontrolleure mit übler Polemik bedachte („Dummschwätzer, Maulwürfe, Sponsoren-Verhinderer. Aufsichtsrat, pack deine Sachen!“). „Wir bringen als Sponsoren Millionen in den Verein ein“, sagt ein Aufsichtsrat, „wir opfern große Teile unserer Freizeit. Wir hören uns auch Kritik an. Aber Anstand und Respekt können wir erwarten.“

So unfreundlich klang es 2011 auch in Gladbach, als mit dem neuen Coach Lucien Favre in letzter Minute der Abstieg in der Relegation gegen den VfL Bochum verhindert wurde. Die Opposition um Ex-Größen wie Stefan Effenberg, Horst Köppel und Berti Vogts machte Stimmung gegen die Crew um Präsident Rolf Königs, die den Weg aber schon eingeschlagen hatte, der letztlich zum Erfolg führte. Sportdirektor Max Eberl, einst mäßig begabter Verteidiger auf dem Bökelberg, wurde von Vogts verspottet als „Ja-Sager seiner Majestät“ Königs. „Eberl weiß ja gar nicht, wie er in diese Position gekommen ist“, ätzte der Terrier, „er ist kein Borusse! Er ist mal von Torpfosten zu Torpfosten gelaufen. Mehr nicht!“

Aber wenn aus dem Beispiel der Gladbacher Lehren zu ziehen sind, dann die, dass über das Wohl und Wehe eines Clubs nicht an Stammtischen oder Fankurven entschieden wird, sondern über harte Arbeit in den Büros. „Es muss eine Leitlinie geben und einen klaren Plan, wie eine Mannschaft aussehen soll“, sagt Max Eberl heute. Sagt auch Lucien Favre. Sagen in Gladbach alle.

Robin Dutt und seine Helfer in der Pannenwerkstatt haben den neuen VfB schon im Kopf. Und ganz gleich wie diese Saison noch endet: Der eigentliche Kampf gegen den Abstieg beginnt erst dann.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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