Heidenheims Trainer Frank Schmidt im Interview

„Der VfB strahlt eine große Kraft aus“

Frank Schmidt steht für die rasante Entwicklung des 1. FC Heidenheim. Im Zweitliga-Derby an diesem Freitag (18.30 Uhr) beim VfB Stuttgart will der Trainer mit seinem Club nicht nur gut aussehen, sondern auch die Punkte mitnehmen.


Emotionaler Trainer-Typ: Heidenheims Erfolgscoach Frank Schmidt.

Herr Schmidt, sagt Ihnen das Datum 19. Mai 2007 etwas?
War ich da zum letzten Mal als Spieler beim damaligen Heidenheimer SB am Ball?

Mag sein, aber ganz sicher hat der VfB Stuttgart damals die deutsche Meisterschaft gefeiert.
Durch ein 2:1 gegen Energie Cottbus, ich erinnere mich. Aber mir liegt meine eigene Vergangenheit natürlich näher, als die des VfB.

Keine zehn Jahre später spielen Sie als Trainer des 1. FC Heidenheim gegen den VfB in einem Punktspiel. Wenn Ihnen das jemand prognostiziert hätte …
... hätte ich gesagt, der Sanwald (Anm. d. Red.: FCH-Geschäftsführer Holger Sanwald) schafft das, aber ob ich dann noch Trainer bin, ist fraglich.

Am 17. September sind Sie exakt neun Jahre als Trainer in Heidenheim im Amt.
Das ist eigentlich genauso verrückt und merkwürdig, wie die Tatsache, dass wir jetzt gegen den VfB um Zweitligapunkte spielen. Denn jahrzehntelang lagen Welten zwischen den beiden Vereinen. Unser Gegner war immer der VfB II. Wenn es gegen die Profis ging, mussten wir für solch ein Freundschaftsspiel zahlen.

Ist dieses Duell in der Landeshauptstadt ein weiterer Meilenstein in der Erfolgsgeschichte des FCH?
Ich sehe das eher nüchtern und pragmatisch. Wir waren auch schon in anderen großen Stadien zu Gast, wie etwa der Allianz-Arena in München. Diese Schritte gehören zu unserem Weg, den wir gehen.

Spielen Sie die Brisanz bewusst etwas herunter?
Es ist ein Württemberg-Derby, es ist ein Highlight, die mediale Präsenz ist höher als sonst. Aber primär geht es um Punkte. Wir dürfen nicht mit großen Augen auf dem Feld stehen. Ruck-zuck sind die 90 Minuten um und die Punkte sind weg.

In Ihrem Umfeld ist die Euphorie aber groß.
Ich glaube eher, dass sich beim VfB einige die Augen reiben werden, wenn der Mannschaftsbus des FCH an der Mercedes-Benz-Arena ankommt. Aber natürlich brennt unser Umfeld auf dieses Spiel, erstmals wird auch ein Sonderzug eingesetzt, das Motto heißt alle in Blau nach Stuttgart. Wir dürfen nur nicht zu viel träumen und auch nicht zu viel Romantik in das Ganze reinbringen.

Weil Sie Ihre Außenseiterchance nutzen wollen?
Die Rollen sind klar verteilt: Wir kommen als absoluter Underdog. Auf 34 Spieltage gesehen, können wir uns mit dem VfB Stuttgart nicht messen. Doch in zwei Spielen ist immer alles möglich. Also wollen wir unsere Stärken zeigen und mit unserem emotionalen Fußball dem VfB das Leben extrem schwer machen.

Wo liegen denn die Stärken Ihres Teams?
Im Teamgeist. Für Egoisten ist bei uns wenig Platz. Schert einer aus, kann es auf der rauen Ostalb auch mal rau zugehen.
Auf dem Platz müssen Sie vor allem in der Offensive noch zulegen?
Man darf nicht vergessen, dass bis auf John Verhoek vom FC St. Pauli alle unsere Neuzugänge jung sind und die zweite Liga fast alle nicht kennen. In der Defensive ist unser Entwicklungsprozess schon sehr weit. Die Viererkette ist eingespielt.

Ihr Ex-Spieler Philip Heise hat den Durchbruch beim VfB nicht geschafft. War eine Rückkehr ein Thema?
Nein, Philip war zwar einer unserer wichtigsten Spieler, aber eine Rückkehr war nie ein Thema. Er ist ja erst in seinem zweiten Jahr beim VfB.

Sie sind mit dem FCH das dritte Jahr in der zweiten Liga. Wie lautet nach den Plätzen acht und elf die Zielsetzung?
Wir wollen so früh wie möglich gesichert sein. Das dritte Jahr ist sehr anspruchsvoll, durch die starken Aufsteiger wird die Liga noch gefährlicher, es geht noch enger zu.

Ihr Vertrag läuft bis 2020, auch die Führungsspieler Marc Schnatterer, Arne Feick, Timo Beermann und Sebastian Griesbeck haben bis 2020 verlängert. Deutet dies darauf hin, dass der FCH bis dahin in der Bundesliga spielen will?
Nein, die Vertragslaufzeiten stehen nicht im Zusammenhang mit unseren mittelfristigen Zielen, auch nicht mit denen, die wir intern besprechen.

Aber die Bundesliga ist in Heidenheim ein Thema?
Wir haben immer gesagt, dass wir uns vom Kopf her nicht beschränken. Wir sind ein ehrgeiziger, emotionaler und erfolgreicher Verein, aber zu unseren Werten gehören auch Bescheidenheit und Demut. Jeder Anflug von Überheblichkeit ist verboten. Wir sagen nicht, die Bundesliga ist für uns nie zu erreichen, aber wir wissen nicht, wann dies der Fall sein kann und schon gar nicht empfinden wir es als eine Selbstverständlichkeit, um einen möglichen Aufstieg mitzuspielen. Wir wollen uns zunächst einmal weiter in der zweiten Bundesliga etablieren!

Weil die Konkurrenten Clubs mit großer Vergangenheit sind?
Wir sind stolz, uns mit solchen Vereinen messen zu dürfen. Heidenheim ist drittkleinster Zweitliga-Standort. Der Verein hat noch keine große Vergangenheit im Profifußball, aber eine lange Geschichte im Amateurfußball. Und wir können noch ein paar Prozent draufpacken.

Ist das finanzielle Risiko nicht zu groß?
Wir haben die Lizenz ohne wirtschaftliche Auflagen bekommen. Auch wir haben den Druck erfolgreich zu sein, größer zu werden, organisch zu wachsen. Das geht nicht ohne Investitionen.

Das Stadion kann von 15 000 auf 26 000 Plätze ausgebaut werden.
Ja, mit dem Bau eines Oberrangs wäre das theoretisch natürlich möglich, das beschäftigt uns momentan aber überhaupt nicht. Es lässt sich aber festhalten: Der Verein befindet sich weiter auf Wachstumskurs.

Deshalb haben Sie verlockenden Angeboten, auch vom VfB Stuttgart, immer widerstanden?
Ich habe nie ausgeschlossen, dass es in den neun Jahren andere Möglichkeiten für mich gegeben hätte, doch ich habe die Gespräche nie vertieft.

Weil In Heidenheim alles passt?
Ich spüre immer die volle Rückendeckung. Wir wollen gemeinsam immer weiter den nächsten Schritt gehen, das treibt mich an! Zudem ist der Club für mich eine Herzensangelegenheit.

Auf was dürfen sich die Fans am Freitag freuen?
Auf unsere Mannschaft, die ein unangenehmer Gegner sein will. Die mutig und selbstbewusst nicht nur gut aussehen möchte, sondern aus Stuttgart etwas Zählbares mitnehmen will.

Wo stehen VfB und FCH am Saisonende?
Der VfB strahlt eine große Kraft aus. Der Verein hat in dieser Liga nichts zu suchen. Ich traue meinem erfahrenen Kollegen Jos Luhukay den direkten Wiederaufstieg zu. Wir wollen eine sorgenfreie Saison spielen und am Ende auf komfortable Art und Weise den Klassenverbleib schaffen.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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