VfB-Präsident Gerd (Duck)Mäuser

„Ich habe die Emotionen unterschätzt“



Es kommt selten vor, dass Gerd Mäuser größere Interviews gibt. Meist hält er sich in der Öffentlichkeit bedeckt. Jetzt macht der VfB-Präsident eine Ausnahme – und stellt trotz aller Kritik, die auf ihn einprasselt, klar: „Ich habe einen der besten Jobs der Welt“

Herr Mäuser, haben Sie noch Spaß, wenn Sie ins Stadion gehen?
Wir hatten schon bessere Zeiten, es ist nicht so einfach im Augenblick. Was teilweise während unseren Heimspielen passiert, geht sicher nicht spurlos an mir vorbei.

Sie meinen die Plakate und Schmähgesänge aus der Cannstatter Kurve gegen Sie.
Ja. Das geht einem schon nahe. Wissen Sie – mit Kritik kann ich leben. Wenn sie sachlich und über der Gürtellinie bleibt.

Die Liste der Vorwürfe ist lang. Sie würden den Verein kaputtsparen, heißt es vonseiten vieler Fans. Sie würden die Anhänger in vielen wichtigen Dingen – wie bei der Abstimmung über das DFL-Sicherheitspapier – Punkten übergehen. Was sagen Sie zu den Anschuldigungen?
Natürlich verstehe ich die Forderungen der Fans nach Spielern, aber ich muss die Belange des gesamten Vereins und die wirtschaftlichen Interessen berücksichtigen. Wenn wir wie im vergangenen Sommer nur 300.000 Euro für Neuzugänge ausgeben, hat das genau diese Gründe. Auf der nächsten Mitgliederversammlung werden wir einen Verlust bekannt geben müssen(rund zehn Millionen Euro, d. Red.). Unter den Voraussetzungen ist es logisch, dass ich bei Transferausgaben Kompromisse machen und selbstverständlich auch auf wirtschaftliche Vernunft achten muss und daher nicht alle sportlichen Forderungen, so sinnvoll sie auch sein mögen, erfüllen kann.

Aber der Kader war für den Tanz auf drei Hochzeiten zu dünn besetzt.
Wir konnten doch nicht ahnen, dass wir während der Saison so viele Ausfälle verkraften müssen, siehe Cacau, Didavi, Audel, Hoogland oder Torun. Und es ist auch immer schwer vorherzusehen, wie viele von unseren Jungprofis den Sprung ins Team wirklich schaffen. Ich finde, wir können stolz sein, dass Antonio Rüdiger und Raphael Holzhauser es geschafft haben.

Dennoch – die Stimmung im Umfeld ist mies, der Stuttgarter Weg könnte in einer Sackgasse enden. Was können Sie den Fans versprechen für die nächste Saison?
Wir werden in der nächsten Transferperiode bestimmt mehr ausgeben als im vergangenen Sommer.

Das ist nicht schwer.
Wir werden zusätzlich zu den bereits kommunizierten Zugängen Sercan Sararer und Thorsten Kirschbaum investieren und voraussichtlich mindestens zwei neue Spieler holen. Und womöglich sogar mehr ausgeben als im Geschäftsjahr 2011, als wir im Winter unter anderem Vedad Ibisevic verpflichtet haben (für rund fünf Millionen Euro, d.Red.). Fakt ist: Es sollte weiter unser Ziel sein, um die internationalen Plätze mitzuspielen. dazu muss aber alles passen.

Beim HSV half ein Investor mit, Topstar Rafael van der Vaart zu verpflichten. Wäre so ein Modell auch beim VfB denkbar?
Wenn der berühmte „weiße Ritter“ auf uns zukommt und seine Hilfe anbietet, hören wir uns das sicher an, der ist aber momentan eher nicht zu sehen.

Können Sie das Modell beim VfB ausschließen?
Ich glaube eher nicht, dass wir zum Beispiel die Lizenzspielerabteilung in einer Kapitalgesellschaft ausgliedern werden und dann die Anteile an Sponsoren verkaufen werden. Das ist bisher nicht unsere Überlegung. Der VfB ist ein Verein, das soll auch so bleiben, und darauf sind wir stolz. Aber in diesem Geschäft kann man nie etwas komplett ausschließen. Entscheiden kann darüber aber nicht allein der Vorstand und Aufsichtsrat, sondern die Mitgliederversammlung..

Von den materiellen Fragen zurück zu den emotionalen. Das Verhältnis zu vielen Anhängern ist angespannt.
Ja, und das ist sicher nicht alles optimal verlaufen. Generell gilt, dass wir unsere Entscheidungen vielleicht ein bisschen offensiver hätten verkaufen sollen. Es war nicht alles perfekt nach außen kommuniziert.

Was ist konkret schief gelaufen?
Nehmen wir die Abstimmung über das Sicherheitspapier der Deutschen Fußball-Liga. Das ist nach Einwänden der Fans zweimal überarbeitet worden – dennoch sind wir zur Abstimmung nach Frankfurt gefahren mit der Vorgabe: Drei von 16 Punkten lehnen wir weiter ab, weil die nach Rücksprache mit den Fans noch immer nicht gepasst haben.

Und dann?
Plötzlich legte die DFL einen in diesen Punkten überarbeiteten Entwurf vor – einen Entwurf, mit wir leben konnten. Da gab es keinen Grund, dagegen zu stimmen.

Die Anhänger fühlten sich dennoch übergangen.
Weil wir das zu spät kommuniziert haben. Wir haben die Umstände erst fünf Tage später vollumfänglich veröffentlicht.

Auch wegen dem Kooperationsvertrag mit Viagogo gibt es Ärger. Fans beklagen Wucherpreise bei der Ticketbörse.
Wenn du als Verein einen Verlust bekannt geben musst bei einer Mitgliederversammlung und dann so ein Angebot auf dem Tisch liegen hast, musst du abwägen.

Zwischen wirtschaftlichen Interessen und den Wünschen der Fans? War das Geld wichtiger?
Fakt ist, dass wir unter finanziellem Druck stehen. Wir haben mit Viagogo nachverhandelt. Und bei den Vertragsbedingungen – unter anderem kein Verkauf von Tickets aus der Cannstatter Kurve bei Viagogo und eine klare Preisobergrenze – haben wir die Sache abgeschlossen. Dazu sollte man bedenken: Nur bei Heimspielen gegen Bayern und Dortmund ist das Stadion ausverkauft – aber auch für diese beiden Spiele sowie alle restlichen Partien können unsere Fans wie bisher zum regulären Preis Karten bei uns bestellen

Kurzum: Sie brauchten das Geld.
Ja.

Nicht nur der Umgang mit den Fans wird im Umfeld kritisiert – viele Mitarbeiter verließen den Verein...
...ich weiß, worauf sie hinauswollen. Es wird ja immer wieder gesagt, ich sei arrogant und herrisch im Umgangston. Aber ich kann Ihnen bei jedem der Mitarbeiter plausible Gründe nennen, warum er gegangen ist.

Gründe, die nichts mit Ihnen zu tun hatten?
Nehmen wir als Beispiel Tayfun Korkut. Er war U-19-Trainer und hat dann ein Angebot als Co-Trainer bei der türkischen Nationalelf bekommen. Ein Angebot, das er kaum ausschlagen konnte. Oder Marc Kienle. Er war Jugendkoordinator. Er wollte wieder Trainer werden, er hätte die U 19 übernehmen können, doch dann rief der FC Bayern.

Bei all diesen Problemen, bei all den Anschuldigungen – haben Sie als Mann aus der Wirtschaft die Anforderungen bei einem Traditionsclub in der Bundesliga vielleicht unterschätzt?
Im Rückblick kann ich sagen, dass ich die Emotionen und den öffentlichen Druck in diesem Geschäft vielleicht ein bisschen unterschätzt habe. Wenn man so will, musste ich früher nur einmal im Jahr Bericht erstatten – jetzt fast jede Woche, nach den Spielen. Und während einer Saison können viele unvorhergesehene Dinge passieren – Verletzte, Formkrisen und so weiter. Aber trotz allem gilt nach wie vor: Ih habe einen der besten Jobs der Welt.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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