Marc Ziegler

"Wir wachsen in solchen Spielen"



Vor der Partie gegen den BVB sprach der VfB Keeper Marc Ziegler über die "Kracher" gegen seinen alten Klub, Veränderungen im Profifußball und das "Gänsehautgefühl" eines Pokalfinales.

Hallo Marc, lass uns doch mal mit einer Übung beginnen. Kannst Du bitte diese Begriffe mal diesen Daten zuordnen?
Marc Ziegler: "Das ist meine Verletzungsliste, oder was?"

Ja, zumindest laut transfermarkt.de. Die Reihenfolge ist nur vertauscht.
Marc Ziegler: "Okay. Das Innenband war 2011 und auch die Kopfverletzung war in dem Jahr. Sonst nix Großes eigentlich, aber die Gehirnerschütterung erklärt dann natürlich einiges, da habe ich ein paar Ausreden." (lacht)

An die Gehirnerschütterung kannst Du Dich bestimmt noch gut erinnern – oder eben gerade nicht, schließlich warst Du bewusstlos. Das war wohl der größte Schock in Deiner VfB Zeit. Wie blickst Du auf den Zusammenprall aus dem Spiel gegen Lissabon im Februar 2011 heute zurück?
Marc Ziegler: "Ich habe da schon noch Erinnerungen. Ich bin froh, dass alles wieder einigermaßen im grünen Bereich ist. Aber das ist ja noch nicht alles, was auf meiner Verletzungsliste steht. Das schmeichelt mir natürlich, aber da sind noch ein paar Knie-OPs nicht erwähnt, das waren eigentlich die schlimmsten Verletzungen. Wobei ich nur bei der Gehirnerschütterung vom Platz runtergetragen wurde."

Eine längere Verletzungsliste* deutet auf eine fortgeschrittene Karriere hin. Stuttgart, Bielefeld, Bursaspor, Innsbruck, Wien, Hannover, Saarbrücken, Dortmund und nun wieder Stuttgart – Du bist ordentlich rumgekommen. Wenn Du die Zeit zurückdrehen könntest, wo würde die Zeitreise hinführen?
Marc Ziegler: "Das ist schwierig zu sagen. Es waren viele schöne Stationen mit einigen Highlights. Ob Hannover oder Innsbruck – aber mit am schönsten war die Dortmund-Zeit."

Welche Eckpunkte, welche Ereignisse in Deiner Karriere würden in einem Buch über Marc Ziegler auf jeden Fall erwähnt werden?
Marc Ziegler: "Oh je, das sind einige. Spontan zählen dazu natürlich die Highlights. Da ist der DFB-Pokalsieg 1997 mit dem VfB, 2008 das Pokalfinale beim BVB, das wir leider gegen Bayern verloren haben. Und die erste Meisterschaft mit Innsbruck 2001 war auch geil. Titel sind immer schöner, weil man da etwas vorweisen kann."

Hand aufs Herz, kannst Du sagen, wo es bislang am besten war?
Marc Ziegler: "Das möchte ich nicht. Ich würde damit nicht jeder einzelnen Station die Beachtung zukommen lassen, die sie verdient. Es waren viele schöne Erlebnisse, aber auch welche, die nicht so angenehm waren. Aber die bringen dich auch weiter in Deiner Karriere."

Wenn von drei Höhepunkten zwei das DFB-Pokalfinale sind, dann pushst Du die Jungs jetzt ordentlich, oder?
Marc Ziegler: "Man sagt das schon noch, aber ich glaube man kann sich auch vorstellen, wie geil es dort ist, ohne dass man schon mal dort war. Aber wenn du dann dort bist, bist du trotzdem nochmal überrascht von der Atmosphäre. Das ist eine ganz besondere Stimmung in der Stadt, das ist schon ein Gänsehautgefühl. Außerdem ist es ein Finale, das zeigt ja schon, dass du davor nicht allzu schlecht warst."

Wie hat sich der Fußball verändert, wenn Du – sagen wir mal – Dein Bundesliga-Debüt am 11. August 1995 (0:0 gegen das damalige Bayer 05 Uerdingen) mit der Partie bei Eintracht Frankfurt vergleichst?
Marc Ziegler: "Er hat sich immens verändert. Zum einen ist der Fußball viel professioneller geworden, sei es zum Beispiel bei den Trainingsinhalten, was da auf die Spieler einstürmt. Außerdem ist er medial mittlerweile gar nicht mehr mit früher zu vergleichen, man kann ja fast rund um die Uhr Fußball schauen. Auf diese Veränderungen sollten die Spieler dementsprechend vorbereitet werden. Früher konntest du besser reinwachsen, heute läufst du fast schon gegen eine Wand. Daher ist es auch gar nicht so einfach für die jungen Spieler."

Würdest Du unter dem Strich dennoch von einer positiven Entwicklung sprechen?
Marc Ziegler: "Natürlich, denn unter dem Strich steht, dass der Fußball noch viel mehr wahrgenommen wird."

Im Fußball wird immer viel über Erfahrung gesprochen – was bedeutet das übertragen auf die Position des Torhüters?
Marc Ziegler: "Dass du gewissen Situationen schon erlebt hast, diese somit einreihen und dementsprechend besser verarbeiten kannst. Aber heutzutage spielt sich alles viel früher ab im Vergleich zu meiner Anfangszeit. Heute ist man schon früh in einem ganz anderen Fokus drin. Die Zeit ist kürzer geworden vom Rauskommen aus der Jugend bis hin zum ersten Bundesliga-Spiel. Das finde ich auch okay, weil die Spieler teilweise technisch schon so weit sind. Aber man muss anders mit ihnen arbeiten, weil sie keine Zeit mehr haben Erfahrungen zu sammeln. Sie müssen früher bereit sein. Da muss man die Spieler schon an die Hand nehmen."

Außerdem heißt es, Torhüter müssen immer ein Stück weit verrückt oder anders sein. Bei Dir sucht man das Verrückte, das Andere aber vergeblich.
Marc Ziegler: "Mein Weg ist es eher, Ruhe auszustrahlen. Für mich war das immer richtig, weil es meinem Naturell entspricht, gewisse Dinge mit Bedacht anzugehen."

Du würdest also dieses Klischee, ein Torwart muss verrückt sein, nicht unterschreiben?
Marc Ziegler: "Nein. Er muss etwas haben, aber das hat nichts mit Verrücktheit zu tun. Trainingsverrückt ja, aber ich brauche jetzt beispielsweise einen Mitspieler nicht wild gestikulierend zusammenzuschreien, wenn er ein Tor verschuldet hat. Das weiß der Spieler selbst. Nichtsdestotrotz musst du natürlich in gewissen Situationen auch mal lauter werden, um die Mannschaft aufzurütteln."

Die Höhepunkte eines Fußballprofis sind natürlich die Spiele, nun können Feldspieler immer mal wieder mit einem Einsatz rechnen. Bei Torhütern sind die Rollen meist klarer verteilt. Derzeit bist Du die Nummer zwei, wie motivierst Du Dich?
Marc Ziegler: "Der eine Faktor ist es, Bälle zu halten. Der andere Faktor ist die Kommunikation mit den Spielern und ihnen mit der Erfahrung zu helfen und etwas weiterzugeben, positionsunabhängig. Bälle halten ist natürlich die Hauptaufgabe, aber ich habe jetzt ein gewisses Alter erreicht und daher versuche ich etwas weiterzugeben. Ich dränge mich aber auch nicht auf."

Und wie würdest Du Eure Motivation für das Spiel gegen den Deutschen Meister am Samstag vor ausverkauftem Haus beschreiben?
Marc Ziegler: "Wenn man die vergangenen Spiele gegen Dortmund heranzieht, dann waren es immer Kracher, von denen die Leute noch lange gesprochen haben. Das motiviert schon einmal. Außerdem haben wir auch immer mit die besten Spiele gegen den BVB gemacht."

Woran lag das?
Marc Ziegler: "Es macht natürlich Spaß gegen eine so gute Mannschaft zu spielen. Da ist auch ein gewisser Ehrgeiz geweckt, dass du gegen die besten Spieler der Liga gut bestehen willst. Ich glaube, dass dich solche Partien als einzelner Spieler und als Team weiterbringen. Wir haben lange von dem 4:4 gezehrt, da könnte auch jetzt noch einmal ein neuer Schwung in die Saison reinkommen."

Du kennst die Borussia aus Deiner Zeit dort. Was zeichnet den Klub aus?
Marc Ziegler: "Absolute Leidenschaft, die die Leute dem Klub entgegenbringen. Das sieht man auch an der Art und Weise, wie sie spielen. Man sieht, wie sie ihren Stil gefunden haben und sich Jahr für Jahr weiterentwickeln. Es ist natürlich schon beeindruckend, was dort in den vergangenen Jahren entstanden ist."

Du hast den Stil angesprochen. Was bedeutet das für Eure Herangehensweise am Samstag?
Marc Ziegler: "Wir sind eigentlich spielerisch auch eine der besseren Mannschaften. Auch wenn wir das im Moment nicht so umsetzen können. Daher liegt uns der Gegner in diesem Punkt schon einmal ein wenig. Beide Mannschaften erarbeiten sich viele Torchancen und für uns ist daher wichtig, dass wir dementsprechend gut stehen und unsere Qualitäten nach vorne wieder zum Einsatz bringen."

Was können die Zuschauer in der Mercedes-Benz Arena erwarten?
Marc Ziegler: "Ich denke sie können erwarten, dass wir absolut dagegenhalten und dass wir in solchen Spielen auch wachsen. Wir haben gerade gegen Dortmund gezeigt, dass wir uns in solche Partien reinbeißen und auch mithalten können. Es ist ein sehr attraktives Spiel, auf das wir uns freuen."

Im Juni läuft Dein Vertrag beim VfB aus, wie soll es nach der Saison weitergehen?
Marc Ziegler: "Ich habe schon ein paar Ideen, aber derzeit liegt der Fokus noch ganz klar auf meiner Arbeit als VfB Torhüter."

Und nach der Karriere, Stichwort B-Lizenz, die Du im Oktober erworben hast?
Marc Ziegler: "Ich schließe im Moment nicht aus, dass es auch im Fußball weitergehen kann. Ich werde jedenfalls die Trainerscheine weiterverfolgen. Aber es gibt auch Pläne außerhalb des Fußballs."

Zum Schluss noch eine geografische Frage: warum sollte man mal nach Blieskastel** fahren?
Marc Ziegler: "Weil es dort in einer Metzgerei die leckersten Würste überhaupt gibt." (lacht)



Quelle: vfb.de


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