Kramnys Motto:

Augen zu und durch

Nur ein Dreier beim VfL Wolfsburg, garniert mit einer Niederlage von Werder Bremen, hilft dem VfB Stuttgart noch in die Relegation. Trainer Jürgen Kramny glaubt fest an die Siegchance. Was bleibt ihm auch anderes übrig?


Lebt Leidenschaft im Kampf gegen Abstieg vor: VfB-Trainer Jürgen Kramny

Es ist so gut wie alles besprochen. Mit einzelnen Spielern, mit der ganzen Mannschaft und mit dem Sportvorstand ­Robin Dutt hat Jürgen Kramny diese Woche geredet. Alle sind sie immer wieder das ­Szenario durchgegangen, das dem VfB doch noch den Platz in der Relegation bescheren könnte. Sie haben die Marschroute festgelegt, wie die Mannschaft an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) den dafür unabdingbaren Sieg beim VfL Wolfsburg einfahren kann (bei einer zeitgleichen Niederlage von Werder Bremen im Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt). Sie haben auch Varianten durchgespielt, die den Spielplan durchkreuzen könnten – und jeweils einen Plan B (oder C) ausgetüftelt, um während der 90 Minuten zurück in die Erfolgsspur zu kommen. Jetzt macht Jürgen Kramny einen aufgeräumten Eindruck. Die Hausaufgaben sind erledigt, leichte Korrekturen, wenn nötig, noch möglich. So muss der Trainer auch nicht lange grübeln, wenn er an die Minuten vor dem Anpfiff und seine ultimative Ansprache an die Mannschaft denkt. Langatmig wird sie nicht ausfallen, im Gegenteil, wie Kramny (44) bestätigt: „Ich werde sagen: Jungs, geht raus und zeigt, dass ihr für den VfB noch mal alles geben könnt!“

Das klingt jetzt nicht unbedingt nach grenzenloser Zuversicht, auch nicht nach dem ultimativen Vertrauen in die Qualitäten der Mannschaft. Andererseits: So wie sich der VfB in den vergangenen Spielen präsentiert hat, mutlos, schlaff und der Selbstaufgabe nahe, würde alles andere ja auch aufgesetzt wirken, unrealistisch – und damit gar nicht Kramny-like. Denn ein Zauberer ist der Ludwigsburger ebenso wenig wie ein Sprücheklopfer oder ein Hasardeur, der nun rückwärts im Handstand die Kabine betritt, um seine Truppe noch mal aufzurütteln.

Nein, Kramny ist Kramny. Einer, der an die Arbeit auf dem Trainingsplatz glaubt. Einer, der von der Wirkung seiner Worte überzeugt ist. Und der keine Luftschlösser baut, gleichwohl aber weiß, dass aus einer vermeintlichen Illusion zuweilen etwas Handfestes entstehen kann. So sagt er: „Es gab in den vergangenen Jahren genügend Konstellationen am letzten Spieltag, wo Dinge passiert sind, die man so nicht erwartet hat.“ Aber ein VfB-Sieg in Wolfsburg?

Warum nicht, sagt sich da Kramny. Diese Szenarien mit den unglaublichen Wendungen in den letzten Spielminuten einer Saison bringt er der Mannschaft noch per Video ­näher, um seinen Eindruck der vergangenen Tage weiter zu verstärken: „Der Glaube in der Mannschaft ist Stück für Stück gestiegen. Und es gibt ja nichts, was es nicht irgendwann schon mal gegeben hat – vielleicht passiert es ja auch am Samstag wieder.“

Holger Bachthaler ist heißer Trainerkandidat für den VfB II

Der Presseraum im Clubzentrum ist rappelvoll, neun Fernsehteams haben ihre Kameras auf ihn gerichtet, doch Kramny verzieht keine Miene. Fragen nach der zweiten Liga bügelt er brüsk ab („Ich denke nur an die Relegation“), Fragen nach seiner persönlichen Zukunft ebenso: „Das ist völlig, völlig unwichtig.“ Für ihn, nicht aber für den Verein, der intern bereits die Weichen gestellt hat. Unabhängig vom Ausgang des Krimis im Tabellenkeller wird Kramny kaum Cheftrainer bleiben – und eine Rückkehr zum Drittliga-Absteiger VfB II, den er bis vergangenen November trainiert hatte, wird es auch nicht geben. Da hat sich der VfB anderweitig entschieden. Holger Bachthaler (41), seit 2012 Trainer des bayerischen Regionalligisten FV Illertissen, gilt als heißer Kandidat. Ex-Profi Andy Hinkel bleibt Assistent.

Kramny ficht das nicht an, und wenn, lässt er es nicht erkennen. „Es geht nur darum, dass alle alles für den VfB geben. Ich gehe da voran“, sagt er, „es ist ein Endspiel. So müssen wir das angehen. Ein Endspiel, um die letzte Chance zu ergreifen.“ Es werde „zwei, drei personelle Änderungen“ geben, kündigt der Trainer an. Eine betrifft Toni Sunjic, der wegen einer Gelbsperre ausfällt, eine andere Philip Heise, der als linker Verteidiger wieder dem zuletzt gesperrten Emiliano Insua weichen wird, und eine dritte Änderung ­ergibt sich wohl durch Martin Harnik. Der Österreicher, zuletzt nur auf der Tribüne, habe in den vergangenen Tagen so gut trainiert, dass er sich als Alternative aufdränge, womöglich auch in der Startelf.

Und dann ist da noch Daniel Didavi. Der VfB-Spielmacher wechselt nach der Saison zum VfL Wolfsburg, entsprechend steht er am Samstag im Fokus, wenn er bei seinem neuen Arbeitgeber vorspielt. Und was, wenn es Elfmeter für den VfB gibt? Tritt dann auch Didavi an, wie die letzten Male? „Wenn er sich gut fühlt, wird er schießen“, sagt Jürgen Kramny. Für den Fall, dass Didavi doch noch leichte Zweifel befallen, schiebt Kramny eine Extraportion Motivation nach: „Gute Spieler leben ja auch von solchen Situationen – dass sie sich zeigen, wenn der Druck besonders groß ist.“ Am besten so wie im Hinspiel: Beim 3:1 traf Didavi zweimal.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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