Bundesliga

Der Macher der Taktiktafel

Der VfB Stuttgart spielt an diesem Samstag gegen den FC Augsburg. Erstmals gibt es im Nachgang der Partie eine intensive Taktikanalyse. Wir haben mit dem Macher gesprochen.


Jonas Bischofberger analysiert für unsere Zeitung die VfB-Spiele in taktischer Hinsicht.

Jonas Bischofberger ist 21 Jahre, Student und VfB-Fan. Doch er beschäftigt sich auch intensiv mit den analytischen Aspekten rund um die Spiele des Clubs mit dem Brustring. Auf seinem Blog www.vfbtaktisch.blogspot.de nimmt er die Taktik von Trainer Jürgen Kramny intensiv unter der Lupe und erklärt, welche Kniffe gut, welche weniger gut und welche überhaupt nicht funktioniert haben und wie der Gegner darauf reagiert hat. Das Spiel des VfB Stuttgart gegen den FC Augsburg wird er erstmals für unsere Zeitung analysieren. Zuvor haben wir mit ihm gesprochen.

Hallo Herr Bischofberger, an diesem Wochenende bekommen unsere Leser erstmals Ihre Analyse zu einem VfB-Spiel zu lesen. Sie setzen sich auf Ihrem Blog intensiv mit der Taktik des Clubs auseinander. Wie entstand die Idee für den Blog?
Vor ein paar Jahren habe ich aus Interesse an den Geschehnissen und Zusammenhängen auf dem Platz und inspiriert von Seiten wie Spielverlagerung und Zonal Marking angefangen, Fußballspiele detaillierter und analytischer zu schauen. Irgendwann wollte ich dann das, was sich dabei an Gedanken angesammelt hat, auch festhalten und teilen. Und da ich es seit Jahren mit dem VfB halte, wurde daraus dann ein Taktikblog über den VfB Stuttgart.

Was reizt Sie an Fußballtaktik im Allgemeinen und an der des VfB Stuttgart im Besonderen?
Wenn man sich die taktische Ebene der Spiele anschaut, erfährt man nicht nur, wie die Trainer ihre Mannschaften eingestellt haben, sondern sieht auch ganz viele spontane Effekte und Wechselwirkungen. Man kann zudem beobachten, was sich konkret am Spiel verändert, wenn die eine Mannschaft in Führung geht oder die andere in Unterzahl weitermachen muss. Das Schöne dabei ist auch: Ein Fußballspiel hat unvorstellbar viele Freiheitsgrade. Jeder Trainer, jeder Spieler und natürlich jedes Spiel sind einzigartig. Ich finde es sehr spannend, diese Vielfalt zumindest ansatzweise zu entdecken. Der VfB im Speziellen war in den letzten Jahren zwar keine besonders innovative oder taktisch aufregende Mannschaft, aber durch die vielen Trainerwechsel kann man sich zumindest nicht über zu wenig Abwechslung beschweren. Außerdem hat es durchaus seinen Reiz, die Identitätsfindung des Vereins auch über die sich wandelnde Spielidee auf dem Platz mit zu verfolgen

Gibt es einen Bundesliga-Verein, den man taktisch gesehen mit dem VfB vergleichen kann?
Mit seinem Fokus auf schnelles Umschalten orientiert sich der VfB grundsätzlich sehr am taktischen Standard der Bundesliga. Wenn man ein wenig mehr ins Detail geht, könnte man den VfB zum Beispiel mit Augsburg oder Schalke vergleichen. Der FCA spielt ein ähnliches 4-2-3-1/4-1-4-1-Mischsystem wie der VfB und zeigt im Pressing teilweise vergleichbare Abläufe. Mit Schalke verbinden den VfB vor allem die strukturellen Unsauberkeiten im Spielaufbau und in der Bewegung der Mittelfeldspieler. Bei Schalke spielt außerdem häufig ein eigentlich zentraler Spieler wie Max Meyer auf dem Flügel, ähnlich wie Lukas Rupp es beim VfB macht

Wie schätzen Sie Jürgen Kramnys Taktik ein – lässt er eher modern spielen oder präferiert er die „alte Schule“?
Es ist natürlich schwer die Grenze zwischen „modern“ und „altmodisch“ zu ziehen, aber man kann denke ich schon sagen, dass er recht pragmatisch und eher konservativ eingestellt ist. Er setzt ja zum Beispiel eher auf Eingespieltheit, anstatt personell viel umzustellen und anzupassen. Außerdem zieht er auch mal taktische Weiterentwicklungen wieder zurück, wenn sie nicht so funktionieren, wie er sich das vorstellt. Diese Einstellung spiegelt sich auch im Fußball, den er spielen lässt wider. Das ist aber an sich natürlich nichts Schlechtes

Das Südduell gegen den FC Augsburg steht an. Was erwarten Sie für ein Spiel?
Beide Mannschaften haben eigentlich das Potential selbst das Spiel zu kontrollieren, solange sie nicht extrem unter Druck gesetzt werden - Augsburg eigentlich noch mehr als der VfB. Beide können aber auch einen sehr vertikalen Stil an den Tag legen. Vor diesem Hintergrund könnte ich mir eine wechselhafte Partie mit unterschiedlichen Phasen vorstellen, in der die „taktischen Fesseln“ relativ früh fallen und das Spiel dann offener wird

Der FCA liegt dem VfB fast schon traditionell nicht. Woran liegt das?
Weinzierls Augsburg kann einerseits den Ball sehr gut in der ersten Reihe laufen lassen und dann aber auch geradlinig und konsequent aus dem Raum vor der Abwehr hinter die Viererkette spielen. Mit beidem hat der VfB immer wieder wegen Unkompaktheiten im eigenen Pressing zu kämpfen gehabt. Außerdem fielen die Spiele gegen den FCA kurios oft in kritische Phasen, in denen der VfB besonders formschwach auftrat oder von den Trainern noch einmal riskante Umstellungen vorgenommen wurden, die dann nicht so gut aufgingen. Diesmal ist die Situation zum Glück ein wenig entspannter

Mit welcher Taktik könnte man die Augsburger wohl am besten ärgern?
Eine Idee wäre, etwas höheres Pressing zu spielen, um die gegnerischen Aufbauspieler zu Ballverlusten zu zwingen. Das Angriffspressing war aber in der Vergangenheit oft zu lückenhaft und würde in der Form gegen Augsburgs gut strukturierten Spielaufbau wohl problematisch werden. Ansonsten wäre es nicht verkehrt, sich gegen den Schlüsselspieler des FCA, Daniel Baier etwas einfallen zu lassen. Zum Beispiel könnte man den rechten Flügelspieler höher und enger attackieren lassen als den linken, um auf Baiers bevorzugter Seite mehr Druck zu machen und das Spiel von ihm wegzuleiten. Gleichzeitig muss der VfB aber aufpassen, dass die Lücken zwischen Mittelfeld und Abwehr nicht zu groß werden

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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