2. Liga

17 Zweitliga-Spiele unter Wolf: die Zwischenbilanz

Nicht nur beim Unentschieden in Braunschweig hat der VfB an Profil gewonnen. Was läuft gut? Und wo gibt es noch Probleme? Eine Zwischenbilanz nach 17 Liga-Spielen unter Trainer Hannes Wolf.


Stolz nach einem hart erkämpften Punkt: der VfB Stuttgart

Von Leidenschaft sprach der Manager, von großem Kampf der Trainer. Und die Spieler waren stolz, in der Höhle der Eintracht-Löwen das 1:1 in Braunschweig gehalten zu haben. In Unterzahl, bei widrigen Platzverhältnissen und einem starken Gegner. So zeigt sich, dass der VfB einen Reifeprozess durchläuft und auf dem Weg zurück in die Bundesliga wieder einen Schritt vorwärts gekommen ist.

„Ich bin definitiv davon überzeugt, dass der VfB aufsteigt“, sagt der Braunschweiger Trainer Torsten Lieberknecht. Deutlich zurückhaltender äußert sich Hannes Wolf, der nun knapp ein halbes Jahr Chefcoach in Stuttgart ist. In Bochum ging es im vergangenen September mit einem 1:1 los – und am Freitagabend (18.30 Uhr) kommt nun ebendieser VfL in die Mercedes-Benz-Arena. Zeit also für eine Zwischenbilanz.


Die neue Stabilität

Es war ein ungewohntes Szenario, das sich den VfB-Spielern in der mit 23 000 Fans ausverkauften Eintracht-Arena in der zweiten Halbzeit bot und das im Trainer-Jargon „Gegen den Ball arbeiten“ heißt. Hatten die Stuttgarter zu Beginn trotz Dauerregens souverän und gekonnt das Bällchen durch die eigenen Reihen laufen lassen, war es spätestens nach der berechtigten Gelb-Roten Karte für Marcin Kaminski (41.) komplett vorbei mit der Dominanz des Tabellenführers.

Doch in der Zwangslage, ein Mann weniger zu sein, entdeckte der VfB neue Seiten an sich, die symbolisch für die Weiterentwicklung des Teams stehen. „Das ist ein großartiges Signal, das die Mannschaft sendet“, sagte der Trainer Hannes Wolf, der mit „den 45 Minuten reinem Fight“ extrem zufrieden war. Sein Team kann jetzt also nicht nur mit Hacke-Spitze à la Carlos Mané verblüffen, es kann auch wacker in Unterzahl eine Halbzeit lang verteidigen, ohne den Ball dabei allzu oft zu sehen. In Braunschweig war es etwa der junge Benjamin Pavard, der auf dem regendurchtränkten Rasen sein Kämpferherz entdeckte. Im Herbst in Dresden beim 0:5 war der Lockenkopf aus Frankreich noch beim ersten Gegenwind aus den Latschen gekippt, diesmal stemmte sich Pavard beherzt dagegen.

Der VfB stellt mit 24 Gegentoren nach 23 Spielen inzwischen die drittstärkste Abwehr der Liga. Lediglich der Zweite Union Berlin und der 1. FC Kaiserslautern haben einen Treffer weniger kassiert. Dies ist eine ganz neue Stabilität beim VfB, der gerade im Abwehrzentrum über die Jahre hinweg ein fast schon traditionelles Problem hatte. Doch nun gibt vor allem der Abwehrchef Timo Baumgartl der Defensive Halt. Entwickelt sich der „Baumi“ in diesem Tempo weiter, dürfte er zeitnah nicht nur in der U 21 ein Kandidat für internationale Aufgaben sein. Während die Abwehr auch dank des stark aufspielenden Jean Zimmer auf der Kevin-Großkreutz-Position einen Sahneabend erwischte, symbolisierte Mitch Langerak quasi die Kirsche auf der Torte. „Er ist ein fantastischer Torwart“, lobte Wolf den Goalie, der nicht nur durch seinen gehaltenen Elfmeter aus einer guten Mannschaft noch herausstach.


Der junge Trainer

Er debütierte am 23. September 2016 mit einem 1:1 in Bochum. Unter Hannes Wolf hat der VfB vor dem Heimspiel am Freitag gegen den VfL also eine komplette Halbserie mit 17 Spielen absolviert. In dieser Zeit hat „Hannes Wer?“, der ehrgeizige U-19-Coach von Borussia Dortmund, in der Zweitliga-Profiszene erstaunlich schnell das Laufen gelernt. Als seine Spieler in Braunschweig nach dem Ausgleich von Ken Reichel (42.) aus der Spur zu kippen drohten, da zeigte sich, was Wolf ausmacht: und das ist neben der Eloquenz seines Mentors Thomas Tuchel eben auch die Emotionalität seines Entdeckers Jürgen Klopp.

„Die Tatsache, dass wir nicht verloren haben, ist diesmal unser Gewinn“, erklärte Wolf, als er nach Schlusspfiff „komplett zufrieden“ mit dem Unentschieden bei einem Aufstiegskonkurrenten war. Doch zuvor gab es einen Trainer zu bestaunen, der seiner Elf heftig gestikulierend mit klaren Ansagen den Weg wies. Der Coach kann also nicht nur den lächelnden Hannes, er kann auch den bösen Wolf. Auch im Trainingsalltag, das ist bekannt, geht der 35-Jährige mit seinen Anweisungen an die Spieler nicht immer als Chefdiplomat durch.

Gelingt der Aufstieg, ist Hannes Wolf fürs Erste also „der Held“ – und nicht „der Idiot“, wie er es selbst definierte. Danach gäbe es für den Trainer-Aufsteiger aber weitere Hürden zu überwinden. Denn bisher hat der gebürtige Bochumer kaum Gegenwind aushalten müssen. Spätestens in Liga eins, mit stärkeren Gegnern und einem ganz anderen Medieninteresse, dürfte die Luft rauer werden. Dann kommt auch Hannes Wolf, der mehr zu sein scheint, als eine gelungene Tuchel-Klopp-Mischung, wie der gesamte VfB auf den Prüfstand. Weil sich zeigt, ob der Trainer hoffnungsvolle Nachwuchsstars auch erstligareif bekommt, ob er als Krisenmanager besteht und wie tauglich seine Spielidee von der maximalen Flexibilität, die sich bisher stark an den Vorgaben des Gegners orientiert, auf höchstem Niveau ist.


Der frische Teamgeist

Die Frage war zu erwarten – die Frage nach Kevin Großkreutz. Doch weder Christian Gentner noch Timo Baumgartl durchzuckte es, als sie nach dem geschassten Spieler befragt wurden. „Wir müssen professionell damit umgehen“, sagt Kapitän Gentner. „Das ist Vereinssache. Das Thema muss für uns jetzt beendet sein“, sagt Abwehrchef Baumgartl. Obwohl natürlich auch in der Kabine über die nächtlichen Vorfälle rund um den Weltmeister diskutiert wurde.

Doch in Braunschweig wurde deutlich, dass die Außenwirkung der Trennung viel größer ist als die Innenwirkung. Oder anders ausgedrückt: ein Teil der VfB-Fans leidet mehr darunter, dass Großkreutz nicht mehr da ist, als es die Mannschaft tut. Denn weder sportlich noch emotional spielte der 28-Jährige zuletzt eine wesentliche Rolle im Team. Führungsspieler sind andere, und kämpfen kann Jean Zimmer ebenfalls.

Kultstatus wie der Dortmunder Junge wird der Pfälzer Bub wohl nie erlangen. Muss er auch nicht, da er sich als Teil einer Einheit versteht, die immer mehr zusammenwächst. „Nach der Pause konnten sich die Spieler als Mannschaft auszeichnen“, sagt Manager Jan Schindelmeiser. Zu zehnt wurde verteidigt, geschlossen und entschlossen. Und am Ende freuten sie sich gemeinsam. „Da hat auch Matthias Zimmermann gejubelt, als hätte er volle 90 Minuten mitgekämpft“, sagt Wolf. Dabei hat der Stammspieler aus der Vorrunde in Braunschweig gar nicht mitgespielt.

Als Zeichen eines intakten Miteinanders wird das gewertet – zu dem in Gedanken weiterhin Großkreutz gehört. „Er ist noch immer einer unserer Jungs“, sagt Schindelmeiser. Und der Ex-Spieler hofft, im Mai bei der Aufstiegsfeier dabei sein zu dürfen. Doch so weit, eine Einladung auszusprechen, will Gentner jetzt noch nicht gehen. Was nichts mit dem Fall Großkreutz zu tun hat, sondern mit der Überzeugung, erst die sportliche Pflicht erfüllen zu müssen, ehe es an die Partyplanungen geht.


Die alte Schwäche

Plötzlich ging alles auf dem Platz zu langsam. Einen Tick nur, weil es sich die VfB-Spieler erlaubten, den Ball nicht gleich weiterzuspielen. Oder einen Schritt nur, weil sich die Stuttgarter nach der frühen Führung durch Carlos Mané (3.) bereits zu sicher wähnten. So ganz lässt es sich zwar nicht erklären, warum der VfB in Braunschweig die Spielkontrolle verlor, doch eines weiß Wolf sicher: „Die 20 Minuten vor der Halbzeit fand ich echt schlecht.“

Es war ein Rückfall in alte Zeiten, als der Aufstiegsfavorit sich während der Vorrunde zum Schnellstarter mit vielen Toren entwickelte – und nach starken Anfangsviertelstunden häufig stark nachließ. Wie jetzt wieder bei den Niedersachsen, als Wolf an der Außenlinie das Gefühl bekam, dass seine Elf fast schon um ein Gegentor bettelte. „Ein Spiel verwalten können wir einfach nicht“, sagt der Trainer. Intensität und Tempo fordert er deshalb ständig, denn wenn die Bereitschaft fehlt, schnell zu spielen, dann reduziert sich beim VfB auch die Erfolgswahrscheinlichkeit.

Anschauungsunterricht nach zuvor fünf Siegen nacheinander bietet die Begegnung in Braunschweig aus diesem Grund. „Wir wollen diese Schwächephase nicht ignorieren“, sagt Wolf. Aber der Coach will sie vor der nächsten Aufgabe am Freitag auch nicht überbewerten. Sondern sie in den Reifeprozess einordnen, den die Mannschaft durchläuft. „Trotz allem überwiegt ja die zweite Hälfte, in der wir fantastisch gekämpft haben“, sagt Wolf, der nun auf fast sechs Monate beim VfB zurückblicken kann – von Bochum-Spiel zu Bochum-Spiel sozusagen. Und dabei zeigt sich, dass die Aufarbeitung der negativen Phasen im Stuttgarter Spiel erst die positive Gesamtentwicklung ermöglicht hat.

Quelle: Stuttgarter Zeitung


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