2. Liga

„Nur zwei Möglichkeiten: Held oder Idiot“

Hannes Wolf ist kein Träumer, der Trainer des VfB Stuttgart weiß genau, dass seine Arbeit am Ende nur nach dem Schwarz-Weiß-Muster bewertet werden wird. Also baut er vor: Mit harter Arbeit – und zwar in allen Bereichen, wie er beim Besuch in unserer Redaktion verrät.


Hannes Wolf weiß genau, wo er sportlich hin will: Mit dem VfB Stuttgart zurück in die Fußball-Bundesliga.

Ab Freitag will der VfB Stuttgart im Traininslager in Portugal die Basis für eine erfolgreiche Rückrunde in der Zweiten Fußball-Bundesliga legen. Noch vor der Abreise hat der Trainer Hannes Wolf beim Besuch unserer Redaktion den Rück- und Ausblick gewagt. „Unsere 32 Punkte bieten gute Möglichkeiten, den Aufsteig zu schaffen“, sagt der 35-Jährige.

Herr Wolf, die Winterpause ist vorbei, der Alltag hat Sie wieder. Wie viel Stunden hat Ihre Arbeitswoche eigentlich?
40 Stunden reichen auf jeden Fall nicht. Es ist sehr viel Arbeit, und ich beschäftige mich ja quasi rund um die Uhr mit dem VfB.

Wenn man sich so in eine Aufgabe stürzt, fällt das Eingewöhnen in einer neuen Umgebung dann leichter oder schwerer?
Natürlich habe ich den Großteil meiner Kontakte hier bislang über den VfB geknüpft. Ich habe aber auch schon viel vom Umfeld mitbekommen. Stuttgart ist eine attraktive Stadt, die mir und meiner Familie sehr gut gefällt. Allein durch die Hügel ist es hier landschaftlich ja ganz anders als im Ruhrgebiet.

Und menschlich . . .
. . .  sind wir toll aufgenommen worden. Mir sind bislang alle sehr positiv gegenüber getreten – sogar nach dem Spiel in Würzburg.

Das der VfB 0:3 verloren hat.
Am Tag danach bin ich von Stuttgart aus in den Urlaub geflogen – ich musste mit dem halben Flugzeug darüber diskutieren, wie das passieren konnte. Aber selbst da waren alle sehr respektvoll und freundlich.

Spüren Sie dabei den Erwartungsdruck?
Auf jeden Fall. Denn es gibt in der Bewertung von dem, was wir machen, ja nur zwei Möglichkeiten: Held oder Idiot. Die Entscheidung darüber fällt aber erst am Saisonende, weshalb man darüber nicht ständig nachdenken darf. Also stürzen wir uns in die Arbeit.

Auf welcher Seite haben Sie sich denn im Laufe der Vorrunde mehr gesehen?
(Lacht) Ich habe mich in der Aufgabe gut gefühlt – auch wenn die Rückschläge sehr weh getan haben. Es ist wichtig, normal zu bleiben, egal was passiert. Es bringt ja auch nichts, wenn du nach einem Sieg durch Stuttgart fliegst und dich nach einer Niederlage nicht mehr aus dem Haus traust.

Zu den Rückschlägen gehören die Niederlagen in den letzten beiden Vorrundenspielen.
Wir hatten die Chance auf eine hervorragende Vorrunde, die wir nicht genutzt haben. Das war sehr schade und hat mich lange beschäftigt. Nach einigen Tagen konnte ich aber auch sehen, dass die 32 Punkte, die wir haben, gute Möglichkeiten bieten, am Ende den Aufstieg zu schaffen.

Normal bleiben – geht das, wenn man von den Junioren in die zweite Liga wechselt? Konnten Sie auf Bewährtes setzen?
Das wollten wir gar nicht. Das Argument, dass man etwas noch einmal macht, weil es einmal erfolgreich war, ist für mich kein Argument. Man benötigt die Offenheit, Dinge zu verändern.
Bei den drei deutschen Meisterschaften, die ich als Jugendtrainer gewonnen habe, haben wir zum Beispiel jedes Mal ein anderes System gespielt.

Auch in der Winterpause gibt es Veränderungen. Sie wollen den Kader verkleinern. Warum?
Das Schwierigste am Trainerberuf ist es, ständig Menschen enttäuschen zu müssen, weil ja nur elf von 23 spielen können. Jeder, der dabei ist, sollte wissen, dass er wichtig ist. Wenn man aber merkt, dass ein Spieler keine Chance hat, in die Mannschaft zu kommen, dann muss man ein offenes Gespräch führen und sich trennen.

Wird es ein solches Gespräch auch noch mit Alexandru Maxim geben?
Wenn er den Wunsch hat, sich zu verändern, würden wir darüber sprechen. Das bedeutet umgekehrt aber auch: Solange er im Verein ist, werde ich alles dafür tun, ihn auf Toplevel zu
bringen.

Dabei nutzen Sie Elemente aus Ihrer Dortmunder Zeit. Wie groß sind die Einflüsse von Tuchel und Klopp auf Ihre Arbeit?
Riesengroß. Auf die Arbeit, auf die Denkweise, auf die Einschätzung dessen, was wichtig ist im Fußball. Es wäre ja verrückt, wenn ich von den beiden nicht versucht hätte zu lernen. Beide waren fantastische Mentoren, komplett unterschiedlich, aber jeweils in sich schlüssig. Wir haben noch Kontakt, reden dann aber nicht im Detail über meine Arbeit in Stuttgart. Darin ist natürlich auch ein sehr großer eigener Anteil enthalten. Ich kopiere aber nicht, sondern kann und will es nur auf meine Art machen.

Wie ist die Hannes-Wolf-Art?
Für mich sind Konsequenz, Transparenz und Verlässlichkeit ganz wichtig. Es gibt Phasen, in denen es ernst ist, da geht es nur um Leistung. Das muss ein Spieler immer wissen.

Wann werden Sie ungemütlich?
Wir versuchen zu differenzieren zwischen Fehlern, die man machen darf, und Fehlern, die man nicht machen darf. Ich kann zum Beispiel schlecht damit umgehen, wenn Spieler das Passspiel nicht ernst nehmen. Oder wenn ein Angriff nicht abgesichert wird. Da fordern wir dann Dinge mit Vehemenz ein.

0:5 in Dresden, 0:3 in Würzburg – wo setzen Sie da an?
Es gibt tatsächlich generelle Ansatzpunkte. Wir haben zum Beispiel in den jeweils ersten 15 Minuten eines Spiels sehr gute Laufwerte. Danach sinkt die Intensität. Das ist zwar bei allen Mannschaften so, wir bekommen in solchen Phasen aber meist Probleme mit der Spielkontrolle.

Bedeutet?
Dass wir die Intensität länger hoch halten müssen. Dafür müssen wir jetzt in der Vorbereitung die Basis legen.

Sie haben einst den Aufschwung des BVB unter Jürgen Klopp hautnah miterlebt. Glauben Sie, dass auch beim VfB Stuttgart eine solche Entwicklung möglich ist?
Diese Philosophie mit Pressing und Gegenpressing war in dieser Zeit noch nicht so präsent in der Bundesliga. Das war neu und hat viele Gegner überfordert. Seitdem hat sich der Fußball jedoch revolutioniert. Dazu kamen damals andere positive Umstände. Mario Götze kam aus der Jugend hoch, der BVB konnte Shinji Kagawa für 250 000 Euro aus Japan holen. Dieses Märchen kopieren zu wollen wäre nicht realistisch, aber man kann davon lernen.

Für welchen Fußball stehen Hannes Wolf und der VfB Stuttgart?
Fußball ist ein komplexer Sport, die Drucksituation ist groß, das Tempo hoch. Wir wollen den Spielern helfen, Intuition zu entwickeln. Das ist das eine. In welche Räume wir die Spieler stellen, ist dann wiederum auch davon abhängig, wie sich der Gegner verhält, wo wir Schwachstellen sehen und welche Räume wir bespielen wollen. Dabei möchte ich mir eine große Flexibilität bewahren und gleichzeitig die Handlungsfähigkeit der Mannschaft steigern.

Wie nah ist ein so flexibel agierender Trainer an der Überforderung seines Teams?
Ich hatte in keiner Phase das Gefühl, dass wir die Mannschaft taktisch überfordert haben. Lediglich in der ersten Halbzeit gegen Hannover 96 hat es nicht funktioniert – aber selbst da gehen wir mit einem 1:1 in die Pause.

Wie würden Sie Ihre Idealvorstellung vom Fußball beschreiben?
Idealvorstellung? Das ist ganz schwierig. Der FC Bayern unter Guardiola, Borussia Dortmund in der vergangenen Saison, der BVB unter Klopp – das war jeweils toller Fußball. Sich daran zu orientieren, fände ich aber fast schon vermessen. Die Idealvorstellung ist eher, dass wir aus dem, was wir haben, das Bestmögliche machen. Dafür wollen wir noch mehr zusammenwachsen, die bisherigen drei Monate sind in einem so komplexen Sport doch keine Zeit.

Lehrreich war es dennoch, oder?
Natürlich. Trainer beim VfB zu sein ist für mich eine unglaubliche Chance zu wachsen. Das ist ein riesiger Lernprozess – wobei ich hier nicht der Auszubildende bin. Lebenslanges Lernen entspricht meinem Naturell, das erwarte ich aber auch von anderen Menschen.

Was bedeutet das stete Streben nach Entwicklung für Ihre Mannschaft und die bevorstehende Rückrunde?
Dass wir uns in allen Bereichen verbessern wollen. Unser Spiel könnte noch dominanter sein, noch passsicherer. Wir wollen Fehler abstellen, die zu Gegentoren geführt haben, wir wollen einen Tick schneller und athletisch stärker werden. Wichtig ist dabei, dass wir uns nicht in einer Sache stark verbessern, dafür aber zwei andre schlechter machen. Wir wollen uns den Punch holen, um noch einen Tick erfolgreicher zu sein als in der Hinrunde. Die Rückrunde wird noch härter, keine Frage. Da kann man nicht einfach sagen: Das wird schon. Es kann nur über Arbeit in allen Bereichen klappen.

In der Vorrunde haben Sie immer wieder Haltung und Kultur gefordert. Was genau meinen Sie damit?
Wenn ich 90 Minuten etwas übe, es aber nur ein bisschen mache und eigentlich an etwas anderes denke, werde ich nie die Fortschritte erzielen, wie wenn ich die Bereitschaft habe, mich maximal zu konzentrieren. Das ist für mich eine Frage der Haltung. Man kann die Trainingsumfänge nicht beliebig erhöhen. Aber das Wie, das kann man immer wieder verbessern. Und wenn sich diese Bereitschaft zur Qualität in der Gruppe steigert, ergibt sich eine Kultur. Die erhöht wiederum die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs und der Entwicklung junger Spieler. . .

. . . die Teil der Generation Smartphone sind – also jede Menge Ablenkung haben.
Die Bedeutung der Smartphones ist schon enorm – aber ja nicht nur für junge Fußballer. Ich denke mir immer: Wenn man die zwei, drei Stunden, die man am Tag da drauf schaut, auf etwas Sinnvolles verwenden würde, wäre man irgendwann in verschiedensten Dingen besonders gut. Das Smartphone bremst und führt dazu, dass man alles nur so ein bisschen macht. Aber Fußball nur ein bisschen machen – das geht nicht.

Haben Sie in der Mannschaft eigentlich eine What’sApp-Gruppe?
Ja. Und ich habe sie eingeführt.

Wie jetzt?
Ich wollte, zum Beispiel in der Winterpause, mit meinen Spielern einfacher Kontakt halten können. Sie sehen also: Auch ich kann mich davon nicht ganz freimachen.

Gibt es für Ihre Spieler bestimmte Regeln in Sachen Handy?
Ja, aber die halte ich für moderat. Eine halbe Stunde vor dem Training zum Beispiel muss man nicht mehr mit dem Handy spielen. Und mit Kopfhörern in der Kabine – das muss auch nicht sein.

Quelle: Stuttgarter Zeitung


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