Bundesliga

Rückschlag für den VfB, aber kein Grund zur Verzweiflung



Sie hätten es kommen sehen können, alle miteinander: Spieler, Trainer und Betreuer. Zwei Szenen, die unterschiedlicher nicht sein konnten, ließen sich als Sinnbild für zwei ebenso unterschiedliche, verrückte Halbzeiten deuten, die den VfB erst in den Himmel hoben und dann jäh in die Hölle beförderten: vom 2:0 zum 2:4.

Da war Gotoku Sakai, wie er vor der Pause mit den Armen ruderte und die Fans zu lautstarker Unterstützung aufforderte. Dabei tobte die Galerie ohnehin – gerade war das 2:0 gefallen. Sakais Gesten ließen sich nur so deuten: Helft uns, wir brauchen euch weiter – trotz 2:0-Führung! Und da war die Szene, als die Spieler zur zweiten Halbzeit auf den Rasen trabten, Zdravko Kuzmanovic sich zur Haupttribüne umdrehte und winkte. Wie er weitertrabte und sich noch einmal umdrehte und wieder winkte. Das ließ sich als Anzeichen von Leichtsinn interpretieren: Was kann uns bei einem 2:0 schon passieren?

"Dass das Spiel gekippt ist, kann man nicht auf einen Spieler reduzieren“

Nun sind hinterher alle schlauer, doch Kuzmanovic die Schuld an dem Rückschlag zu geben wäre zu einfach. Genauso wie der Einwand, mit dem grippekrank ausgefallenen William Kvist als Stoßdämpfer vor der Abwehr wäre nach der makellosen ersten Halbzeit alles anders gekommen. Schließlich standen zehn weitere Profis plötzlich so orientierungslos da, als hätten sie in der Kabine ihr Basiswissen über die Gesetzmäßigkeiten des Spiels von den Festplatten in ihren Köpfen gelöscht. Dass Hannover sich nicht willenlos in die Niederlage fügen würde, war absehbar. Dass dann erst recht volle Konzentration gefragt wäre, ebenso. „Kuzmanovic hat das gut gemacht. Dass das Spiel gekippt ist, kann man nicht auf einen Spieler reduzieren“, befand Manager Fredi Bobic, „wir haben unsere Fehler nicht im zentralen Mittelfeld gemacht, sondern bei der Balleroberung. Da haben wir schlechte Pässe ­gespielt und sind in Konter gelaufen.“

Kuzmanovic ist aber zumindest beispielhaft. Wer sich allzu sicher fühlt, versucht es gern mit ein paar Prozent weniger. So schlichen sich Nachlässigkeiten ein, erst unmerklich, dann quer durch die ganze Mannschaft. „Irgendwann bist du in der Negativspirale gefangen und kannst nichts mehr dagegen tun“, sagte Christian Gentner.

„Dann können wir richtig cool Fußball spielen“

Der VfB kennt dieses Gefühl. Jeder weiß, dass darin die große Anfälligkeit dieser Mannschaft liegt. Dass sie nie nachlassen darf, dass sie stets 100 Prozent Konzentration abrufen muss. „Dann können wir richtig cool Fußball spielen“, sagt Trainer Bruno Labbadia. Aber nur dann. Dann übersteht der VfB wie zuletzt auch mal sechs Spiele mit nur einem Gegentor. Fehlen fünf oder zehn Prozent, fallen auch mal vier Gegentore. „Wir wussten, dass eine gelungene Aktion die Wende bringen kann“, sagte 96-Trainer Mirko Slomka. Daran glaubte auch seine Mannschaft. „Wir haben verinnerlicht, dass jeder Ballverlust der letzte vor einem Gegentor sein kann“, hatte Gentner vor kurzem die Erfolgsserie des VfB erklärt. Daran hielt sich die Mannschaft diesmal nicht: Sie gab die Bälle zu häufig zu leicht her. Das machte den Unterschied aus – und die Joker Jan Schlaudraff und Mo Abdellaoue, die Hannover einen enormen Schub verliehen.

Mit Blick auf die Tabelle ist das bitter. ­Bevor sich demnächst die Spreu vom Weizen trennt, hätte der VfB bis auf drei Punkte an einen Champions-League-Rang rücken können. So liegt er nur zwei Zähler vor dem Relegationsrang. Pessimisten befürchten nun, dass der VfB wie nach der Niederlage gegen Wolfsburg in einen Negativtrend kommen könnte. Optimisten verweisen auf das Formhoch der vergangenen Wochen und leiten daraus den Schluss ab, dass es keinen Grund zur Verzweiflung gibt. „Wir dürfen uns nicht verrückt machen lassen. Wir haben ja schon gezeigt, wozu wir in der Lage sind“, sagt Georg Niedermeier. Arthur Boka nahm die Schuld für das 2:1 und 2:4 auf sich: „Das waren meine Fehler, aber ein größerer Fehler wäre es, wenn wir jetzt negativ denken würden.“ Zweimal spielt der VfB in der Liga nun auswärts, in Gladbach und Freiburg, dazwischen in der Europa League in Bukarest. Bobic ist nicht bange: „Ich befürchte nicht, dass die Jungs ihr Selbstvertrauen verlieren. Sie haben es sich ja lange genug erarbeitet.“

Quelle Stuttgarter Nachrichten


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