Bundesliga

Ist Dutt die Lösung oder ein Teil der Krise?

Scouting, Abmahnung, Mallorca: Beim VfB Stuttgart ist einiges los. Robin Dutt hat im Verein vieles angeschoben, doch vor dem Schlüsselspiel in Bremen am Montagabend wächst die Kritik an dem Stuttgarter Sportchef.


Robin Dutt wird mehr und mehr zum Gesicht der Krise.

Der Pessimismus begegnet Robin Dutt gerade überall. Selbst im eigenen Familienkreis. „Es sind ja immer dieselben Leute, die meinen, wir schaffen es nicht“, sagt der Manager des VfB Stuttgart. Da trifft es sich gut, dass Dutt immer auch noch Menschen begegnet, die unerschütterlich in ihrem Glauben an den kriselnden Fußball-Bundesligisten bleiben.

Dutt gehört natürlich zu den Optimisten. Schon von Amts wegen muss er Zuversicht verbreiten, sagen viele, die den Vorstand Sport des VfB in den vergangenen Tagen und Wochen erlebt haben. Seine gute Laune auch nach schlechten Spielen wirke aufgesetzt, seine Gelassenheit demonstrativ. Doch diejenigen, die ihn näher kennen und auch eng mit ihm zusammenarbeiten, betonen, Dutt sei ruhig, er verhalte sich authentisch.

Für den 51-Jährigen selbst ist es eine Frage der inneren Haltung, die Herausforderungen positiv anzugehen. Das ist sein Ding, schon immer gewesen. Auch beim VfB, den er sich trotz der prekären Tabellenlage nicht schlechtreden lassen will. „Wenn ich ein Jahr zurückblicke und die Wahl zwischen der Situation damals und der heutigen hätte, dann würde ich die jetzige auf jeden Fall bevorzugen“, sagt Dutt.

Damals kamen die Stuttgarter von ganz unten, jetzt von weiter oben, was die Befindlichkeiten aber offenbar vergrößert. Doch Fakt ist: Der VfB reist mit zwei Punkten Vorsprung als Tabellenfünfzehnter nach Bremen, wo Werder einen Platz dahinter auf dem Relegationsrang liegt. Das ist entscheidend für Dutt, der den Ansatz verfolgt, die Begegnung der beiden taumelnden Traditionsvereine aus dem Alltag herauszulösen. Es hat erst einmal kein Davor mit tiefschürfenden Analysen gegeben – und zunächst soll es auch kein Danach mit sorgenvollen Gedanken geben.

Nur der Montagabend im Weserstadion zählt. Darauf lässt sich im Moment beim VfB alles reduzieren, auch Dutts Wirken. „Es geht jetzt nicht darum, dass ich eine Bremer Vergangenheit habe. Es geht darum, dass wir einen Konkurrenten schlagen“, sagt der Manager. Seit Januar 2015 ist er da, und er selbst hat in einer ersten Jahresbilanz differenziert. Die ersten Monate waren reines Krisenmanagement, die nächsten waren geprägt von einem Neuaufbau. Dabei gab es, wie Dutt einräumt, gute und schlechte Entscheidungen. Serey Dié zu holen war gut, an dem damaligen Trainer Huub Stevens festzuhalten ebenfalls. Doch das Projekt mit Alexander Zorniger als Coach scheiterte. Und jetzt läuft die dritte Schaffensphase.

Wieder ist es Abstiegskampf, und wieder ist Krisenmanagement angesagt. Nur: diesmal wird Dutt innerhalb und außerhalb des Vereins anders wahrgenommen. Er, der nach Jahren des Niedergangs den Aufbruch beim VfB einleiten und verkörpern sollte, wird mehr und mehr zum Gesicht der Misere. Er, der schöne Pläne dargelegt und spätestens seit seiner fulminanten Abrechnung mit den Vorgängern im vergangenen Mai polarisiert, kann es offenbar niemandem mehr recht machen.

Extern heißt es, nichts habe sich zum Besseren verändert, intern rumort es. Das alles schlagende Argument: Platz 15 – und Dutt soll verantwortlich sein. Es sind emotionale Debatten, die den Club in diesen schwierigen Zeiten begleiten, weil sich viele Fans und Vereinsmitarbeiter nach einer Siegesserie im März schon auf der sicheren Seite wähnten und jetzt mit dem VfB wieder auf der Falltür zur zweiten Liga sitzen.

Dutt kennt die Gemütslage genau. Er stellt sich auch der Kritik, aber er will sich nicht von ihr treiben lassen. Deshalb hat er die Mallorca-Aktion durchgezogen – trotz der Bedenken, die sofort aufkamen, als die Idee diskutiert wurde, ein Kurztrainingslager auf der Ferieninsel abzuhalten, und wohl wissend, dass es Hohn und Spott hageln würde, sofort und noch mehr nach einem Misserfolg in Bremen. Doch der Manager versteht es gerade in den Wirren des Abstiegskampfes als Geradlinigkeit und Konsequenz, dem Wunsch des Trainers Jürgen Kramny nach einer Luftveränderung nachzukommen und sich mit der wild diskutierten Sondermaßnahme voll zu identifizieren.

Niemand, der die Spiele gegen Augsburg und Dortmund gesehen hat, wird jedoch bestreiten, dass Dutt und Kramny in der Sache recht haben, dass diese Mannschaft einen Impuls braucht, um sich aus der Angstspirale herauszukatapultieren. Deshalb ist der Manager bereit, vieles auf sich zu nehmen – und erwähnt in diesem Zusammenhang die Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in der Flüchtlingsdebatte deutlich mehr aushalten müsse als er.

Ein gewagter Vergleich ist das. Und für die Dutt-Kritiker wieder ein Beleg, dass der Leonberger zwar gerne von kleinen Schritten redet, aber schon an großen Rädern drehen möchte. Im übertragenen Sinne muss er das beim VfB auch, denn die Stuttgarter gehören zu den alten Tankern der Liga. Mit der entsprechenden Kraft – und der unbestrittenen Schwerfälligkeit.

Rechts und links überholt

Rechts und links wurden die Stuttgarter von den Schnellbooten der Liga wie dem FSV Mainz 05 oder dem FC Augsburg überholt. Nun versucht Dutt aufzuschließen. Mit strukturellen Veränderungen, personellen Umbesetzungen, neuen Konzepten, jedoch ohne schnellen Erfolg. Was auch die drei Mitglieder des Aufsichtsrates auf der Tribüne leiden lässt, denn Martin Schäfer, Hartmut Jenner und Wilfried Porth sind zwar gestandene Geschäftsmänner, aber sie sind eben auch VfB-Fans.

Nach den Fehlentwicklungen haben sie sich deshalb zuletzt bei Dutt erkundigt. Ein Riss durchziehe das Verhältnis zwischen dem Kontrollgremium und dem Sportchef, interpretierten nun die einen, ein kon­struktiv-kritischer Austausch werde von jeher gepflegt, sagen die anderen. Einig sind sich alle darin, dass sich der neue Aufsichtsrat im Gegensatz zu früher öffentlich zurückhält und sich nicht auf der operativen Ebene einmischt. Es gibt keine Interviews und keine Erklärungen.

Die sportliche Kompetenz wird Dutt zugesprochen, damit verbunden die Deutungshoheit über die Krise – und deren Lösung. „Man muss schon ein bisschen verrückt sein, um all die Aufgaben hier lösen zu wollen“, sagt Dutt, der Daueroptimist.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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