Interview

Das sagt Wolfgang Dietrich zum Fall Schindelmeiser

Der Vereinspräsident Wolfgang Dietrich äußerst sich erstmals ausführlich zu den Gründen für die Neubesetzung des Postens des Sportvorstands beim VfB Stuttgart.

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Wolfgang Dietrich spricht erstmals ausführlich über den Fall Schindelmeiser

Rund eine Woche nach der Freistellung von Jan Schindelmeiser und der Verpflichtung von Michael Reschke als neuen Sportvorstand äußert sich Wolfgang Dietrich erstmals ausführlich zu den jüngsten Ereignissen beim VfB Stuttgart.

Herr Dietrich, an diesem Sonntag startet für den VfB Stuttgart mit dem Pokalspiel in Cottbus die Saison. Wie ist Ihre Gefühlslage vor dem Auftakt?
Ich spüre eine große Anspannung. Denn wir alle wissen und sind uns einig darüber, dass diese erste Saison nach dem Aufstieg eine ganz harte wird. Der Abstieg war ja kein Betriebsunfall, sondern die Folge eines langen Prozesses. Der Druck ist da.

Kein Wunder: Langfristig haben Sie hohe Ziele ausgegeben.
Das ist nicht die persönliche Idee des Präsidenten, sondern ein gemeinsam verabschiedeter Plan – hinter dem Maßnahmen und eine Finanzplanung stehen. Und an diesen Zielen müssen nicht einzelne Personen, sondern muss der Verein festhalten. Nach dieser Saison, in der wir hoffentlich in der Bundesliga bestehen werden, geht es darum, in drei bis vier Jahren wieder im ersten Tabellendrittel mitzuspielen. Dieser Plan war nicht nur ein Vorstandsplan, sondern er war vor allem Grundlage für die Vereinsbewertung, für die Entscheidung von Daimler, Anteile zu erwerben, auch war er ein klares Bekenntnis gegenüber unseren Mitgliedern und Fans.

Ist der Mannschaftskader stark genug, um in der Bundesliga zu bestehen?
Klar ist: Wir müssen den Kader permanent weiterentwickeln. Jetzt, aber auch auf die nächsten Jahre gesehen. Ich bin sicher, dass wir mit der Mannschaft dann unser Ziel erreichen, mit dem Abstieg nichts zu tun zu haben.

Nach zahlreichen Talenten hat der VfB in Dennis Aogo einen 30-jährigen Ex-Nationalspieler verpflichtet. Ist dies ein Hinweis auf eine Trendwende in der Transferpolitik?
Nein. Unser neuer Sportvorstand Michael Reschke trägt unsere grundsätzliche Personalplanung zu 100 Prozent mit. Generell gibt es keine Kehrtwende. Wir brauchen beides – Erfahrung und Entwicklungspotenzial.

War die Transferpolitik bisher zu einseitig?
Es gab keine einzige Verpflichtung, hinter der ich nicht voll und ganz stehe. Wir wollen das eine tun, ohne das andere zu lassen.

Sie wollten den Weg zurück in die Bundesliga mit Ruhe und Kontinuität beschreiten . . .
. . . wir haben Ruhe und Stabilität im Verein.

Die vergangenen Tage waren eher turbulent.
Natürlich waren die turbulent. Aber der VfB steht insgesamt sehr gut da. Wir sind wieder in der Bundesliga, wir haben die Ausgliederung hinbekommen. Wir haben tolle Mitarbeiter, hochkompetente und funktionierende Gremien und stetig steigende Mitgliederzahlen. Und unser Verein hatte die Kraft und Stärke, innerhalb von 24 Stunden einen Nachfolger für Jan
Schindelmeiser als Sportvorstand präsentieren zu können, um den uns die meisten Bundesligavereine beneiden.

Schindelmeisers Freistellung war doch aber ein Unruheherd.
Ruhe bedeutet für mich nicht, nur der Ruhe wegen nicht zu handeln – sondern so zu handeln wie es für den VfB am erfolgversprechendsten ist.

Können Sie verstehen, dass viele Menschen verwundert waren über die Entscheidung, Jan Schindelmeiser freizustellen?
Ja, das kann ich. Ich will hier nur ein- für allemal festhalten: Glaubt denn ein Mensch auf dieser Welt, so eine Trennung würde man gerne machen? Ich hätte es mir doch bequem machen können, mich zurücklehnen und zugucken. Um dann irgendwann populistisch mit den üblichen Mechanismen zu argumentieren. So wie es vielleicht früher beim VfB passiert ist. Aber das ist nicht meine Auffassung von Führung.

Sondern?
In einem Verein darf es nicht um Stimmungen gehen, sondern nur um Überzeugungen. Es darf auch nicht um die Vergangenheit gehen sondern um die Gegenwart und die Zukunft.

Das ist Ihr Verständnis von Kontinuität?
Kontinuität bedeutet für mich, dass man langfristige Planungssicherheit hat – und die haben wir.

Gehören schnelle Personalwechsel dazu?
Generell braucht man Strukturen, die es einem ermöglichen, einzelne Personen ersetzen zu können. Aber glauben Sie mir, ich ärgere mich am meisten darüber, dass diese Trennung notwendig war. Ich wollte ursprünglich mit den drei bisherigen Vorständen die nächsten Jahre gestalten.

Warum hat das nicht geklappt?
Jan Schindelmeiser hat viele gute Entscheidungen getroffen, allen voran die, Hannes Wolf zu holen. Uns allen in den Gremien hat zuletzt aber das Vertrauen gefehlt, dass wir die Phase, die der Verein nun vor sich hat, gemeinsam erfolgreich gestalten können.

Das können viele Außenstehende nicht verstehen, die gerade wegen der Verpflichtungen der vielen Talente begeistert waren.
Darum ging es ja auch nicht. Es gibt keinen einzigen Transfer, mit dem ich nicht einverstanden war. Es geht um das notwendige Vertrauen, gemeinsam getroffene Entscheidungen konsequent umzusetzen.

Einem Sportvorstand stehen doch aber gewisse Kompetenzen zu.
Natürlich. Ein Vorstand soll im Rahmen seiner Kompetenzen die Freiheiten haben, Dinge zu entscheiden, die andere – auch ich – anders sehen. Das ist völlig normal. Dass man aber nachhakt, wenn es in Grundsatzfragen Differenzen gibt, ist doch auch klar.

Zu den Anforderungen an den Sportvorstand gehörte auch die Neuordnung des Scouting- und Nachwuchsbereichs. Was fehlte Ihnen in diesem Bereich?
Zu einer Struktur gehört nicht nur ein Organigramm, dazu gehören auch die Personen, die man entweder von außen dazu holt oder intern entsprechend stärkt.

Das ist nicht so umgesetzt worden, wie Sie sich das vorgestellt haben?
Der Maßnahmenplan wurde von allen zusammen erarbeitet. Und als Aufsichtsratsvorsitzender der AG und Präsident des Vereins muss ich dafür Sorge tragen, dass die Dinge, in denen inhaltlich Einigkeit bestanden hat, auch abgearbeitet werden.

Wann war Ihnen klar, dass es langfristig nicht mehr zusammen geht?
Das war ein Prozess.

Und irgendwann haben Sie begonnen, nach einem potenziellen Nachfolger zu suchen?
Ich halte es für eine der originären Aufgaben eines Präsidenten, den Markt zu kennen und über ein Netzwerk zu verfügen. Früher war doch eines der großen Probleme beim VfB, das man immer erst einen entlassen hat und dann anfing zu suchen. Das hat alles verzögert, verteuert und manchmal auch zu Notlösungen geführt. Die Folgen sind bekannt. Der Fußball dreht sich so schnell, dass man so heutzutage nicht mehr agieren kann. In jedem Bereich des Vereins wäre ein Vakuum fatal.

Gibt es keine Dankbarkeit im Profigeschäft? Viele Menschen schreiben die gelungene Ausgliederung zu einem großen Teil dem Duo Wolf/Schindelmeiser zu.
Warum sollen wir Jan Schindelmeiser nicht dankbar sein? Noch einmal: Wir haben die Entscheidung doch nicht wegen der Vergangenheit getroffen sondern wegen der Gegenwart und der Zukunft, bei der uns die Überzeugung gefehlt hat. Ich habe mich natürlich bei Jan Schindelmeiser bedankt für die vielen guten Entscheidungen, die er getroffen hat. Auch für seine Unterstützung im Vorfeld der Mitgliederversammlung. Aber noch einmal und auf die Gefahr hin, dass sich das hart anhört: Es geht um Überzeugungen.

Seit Freitag ist nun Michael Reschke offiziell im Amt. Was erwarten Sie von ihm?
Dass er sich voll und ganz mit unseren Zielen identifiziert, sich ihnen unterordnet, im Verein einordnet und mit all seiner Erfahrung alles dafür tut, dass wir diese Ziele gemeinsam erreichen.

Wie konnten Sie Michael Reschke für den VfB begeistern? Hat der Club noch eine gewisse Strahlkraft?
Natürlich hat er die. Wir sind doch der VfB Stuttgart. Wir haben nicht nur Tradition, sondern wir haben dank der Ausgliederung auch Zukunft. Der Verein steht finanziell gut da. Mit dem VfB jenen Weg zu gehen, den wir gehen wollen, hat einen großen Reiz.

In vorderster Front hat Michael Reschke bislang kaum gearbeitet. Hier muss er den sportlichen Bereich nach außen vertreten.
Das weiß er natürlich. Und es war ja vermutlich auch ein Beweggrund für seinen Wechsel, dass er nun die Gesamtverantwortung tragen kann. An vorderster Front hat er auch in Leverkusen viele Jahre gearbeitet – und das sehr erfolgreich.

Im Dienste des FC Bayern fischte er zuletzt in den Teichen mit den ganz dicken Fischen. Der VfB sucht – auch noch bis Ende August – mutmaßlich nach anderen Spielern. Kann die Umstellung so schnell gelingen?
Jemand der weiß, wie man fischt, kann das in allen Teichen. Und er weiß, wie man das macht.

Nochmal: Die Kandidaten werden andere sein.
Ja und? Der Lebenslauf von Michael Reschke deckt sich mit unseren Anforderungen. Er ist seit über 30 Jahren in allen Bereichen des Profifußballs erfolgreich aktiv gewesen. Und er hat zum Beispiel hat Sebastian Rudy ablösefrei von 1899 Hoffenheim zum FC Bayern geholt und sich Serge Gnabry rechtzeitig geangelt. Früher waren es Joshua Kimmich oder Bernd Leno. Dazu hat er einst unbekannte Spieler nach Leverkusen geholt, die sich toll entwickelt haben. Die neue Saison bringt große Herausforderungen – und wir freuen uns, dass wir diese Herausforderungen gemeinsam mit Michael Reschke angehen können.

Quelle: Stuttgarter Zeitung


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