Peter Neururer über den VfB Stuttgart

„Es gibt Spiele, die weh tun werden“

Kaum einer kennt die zweite Liga so gut wie Peter Neururer. Was der Trainer und TV-Experte vom Unternehmen Wiederaufstieg des VfB Stuttgart hält, sagt er im Interview.


Zweitliga-Experte mit klarer Meinung zum VfB: Peter Neururer

Herr Neururer, wir haben lange überlegt, ob wir überhaupt mit Ihnen reden sollen.
Wieso das?

Weil ein Gespräch mit Ihnen aus Stuttgarter Sicht nicht gerade ein gutes Omen ist. Kurz nach dem bislang letzten Interview mit Ihnen in unserer Zeitung verlor der VfB 0:2 im Pokal gegen den VfL Bochum.
Oh, das ist lange her.

Zwei Jahre. Sie waren Trainer beim VfL in der zweiten Liga, der VfB kam als Erstligist und Favorit . . .
. . . und trotzdem war unser Sieg damals für mich keine Überraschung.

Nun ist der VfB ebenfalls ein Zweitligist. Sie kennen diese Liga wie kaum ein Zweiter, was kommt denn auf den Club zu?
Eine ganze Menge. Interessante Spieler, interessante Spiele. Und ganz wichtig: Der VfB muss umdenken. Er ist nicht der topgesetzte Erstligist, sondern ein Club, den jeder Gegner unbedingt schlagen will. Nur wenn die Spieler das begreifen, wird der VfB Erfolg haben und den direkten Wiederaufstieg schaffen. Personell sind der VfB und Hannover 96 dem Rest der Liga überlegen. Begreifen es die Spieler aber nicht, bekommt die Mannschaft ein Riesenproblem.

Wie schwierig ist dieser Prozess des Umdenkens zu meistern?
Das kommt auf die einzelnen Spieler an. Zwei Dinge weiß ich aber: Stürmer Simon Terodde kann es, und Trainer Jos Luhukay kann es auch. Diese beiden kenne ich sehr gut. Und ich bin überzeugt, dass der VfB sich für diese Situation den richtigen Trainer geholt hat. Er schaut sich an, was er mit der Mannschaft spielen kann. Und er spielt sich nicht selbst in den Vordergrund.

Eine große Eingewöhnungszeit darf sich der VfB aber nicht gönnen.
Das stimmt. In der zweiten Liga setzt sich die Creme de la creme meist sehr schnell ab. Wenn ich in den ersten zehn Spielen nicht begriffen habe, worum es geht, dann werde ich kaum mehr eine Möglichkeit haben, noch aufzusteigen.

Beim VfB fordert man allerdings Geduld ein mit dem Verweis darauf, dass der Kader zum Saisonstart noch nicht komplett ist.
Das ist doch aber bei allen anderen Vereinen das Gleiche. Das spielt für mich keine Rolle.

Simon Terodde war einer der ersten Neuzugänge des VfB. Sie kennen ihn aus Bochum. Gratulieren Sie dem VfB zu diesem Transfer?
Ja, da sage ich: Herzlichen Glückwunsch VfB! Und: Herzliches Beileid VfL Bochum. Seinen torgefährlichsten Spieler an den direkten Konkurrenten abzugeben – das ist doch Wahnsinn.

Garantiert er auch dem VfB Tore?
Mit Garantien ist es im Fußball so eine Sache. Aber Simon weiß, wie es geht. Er hat die Qualität und ist eigentlich ein Erstligastürmer. Da will er ja auch hin.

Der VfB hat bereits über 25 000 Dauerkarten verkauft . . .
. . . das ist doch sensationell . . .

. . . könnte aber auch eine Belastung sein, weil alle sofort Siege erwarten und nach dürren Jahren auch herbeisehnen.
Natürlich ist eine gut gefüllte Mercedes-Benz-Arena vor allem auch für die jeweiligen Gegner eine Top-Motivation. Für den VfB kann diese im Grunde tolle Situation auch zur Belastung werden – allerdings nur dann, wenn die Ergebnisse nicht stimmen.

Für den VfB und viele seiner Fans ist die zweite Liga Neuland. Machen Sie Ihnen doch mal Lust auf das neue Umfeld.
Ich würde ja lügen, wenn ich sagen würde: Die zweite Liga ist für den VfB eine geile Liga. Zwischen der ersten und der zweiten Liga gibt es in Deutschland einen deutlichen Qualitätsunterschied. Jeder Spieler muss das Ziel haben, schnellstmöglich wieder nach oben zu kommen.

Das klingt jetzt aber nicht nach Lust.
Andererseits gilt ja auch: Die deutsche zweite Liga ist die stärkste in ganz Europa. Es gibt eine Menge Traditionsvereine, attraktive Spiele, und einige Stadien, die einem das Gefühl vermitteln, man spiele noch in der ersten Liga. Aufgabe des VfB ist es in der kommenden Saison, den fußballerischen Unterschied immer wieder deutlich zu machen.

Am besten gleich gegen den FC St. Pauli.
Das ist gleich ein tolles Duell gegen einen Kultverein, der die zweite Liga verkörpert. Ich werde auch da sein und das Spiel für Sport 1 analysieren.

Was sind denn die heißesten Pflaster der zweiten Liga?
St. Pauli, klar. Braunschweig, Berlin. Auch Bochum. Und dann gibt es noch die Spiele, die weh tun. werden

Welche meinen Sie?
Wenn ich mit dem Anspruch des VfB Stuttgart in Heidenheim oder Sandhausen antreten muss. Letztes Jahr noch München, Dortmund und Schalke, jetzt diese Auswärtsspiele. Oder Aue, da musst du erst mal hinfahren. Und überall droht eine Blamage. Selbst wenn der VfB knapp gewinnt, hat er doch schon verloren.

Wie groß ist für den VfB die Gefahr, bei einem weiteren Jahr in Liga zwei den Anschluss zu verpassen?
Dann wäre die Vereinsführung gefragt. Aber noch einmal: Ich glaube nicht daran, dass der VfB ein zweites Jahr in der zweiten Liga bleibt. Bei dem Potenzial, das der Club hat, müsste es allemal für den Aufstieg reichen.

Allerdings steckt der VfB – sowohl sportlich als auch strukturell – im Umbruch.
Ja, aber der Club ist ja auch zurecht abgestiegen im vergangenen Jahr. Es war grauenhaft, was da abgelaufen ist. Wenn ich sehe, welche Spieler da weit unter ihrem Niveau geblieben sind. Wenn ich sehe, welche Philosophien da ausgerufen worden sind, die nachher nicht mehr kompensiert werden konnten. Das war ja abenteuerlich, das war vorwärts wildwest, was da gespielt wurde. Wenn das alternativlos gewesen ist, dann zerreiße ich meine Lizenz. Der VfB hat doch regelrecht um den Abstieg gebettelt.

Und nun?
Ich glaube, dass man jetzt mit vielen neuen Leuten ein anderes Bewusstsein für die Situation hat. Und dass man bei all den Möglichkeiten des Clubs den Aufstieg auch schafft. So viele Fehler kann man gar nicht machen.

Nun, der VfB hat da in den vergangenen Jahren immer noch einen drauf gesetzt.
Ja, da waren sie sehr kreativ.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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