VfB-Stuttgart-Taktiktafel

Die Taktikanalyse des VfB-Spiels in Wolfsburg

Taktik-Blogger Jonas Bischofberger analysiert das Spiel des VfB Stuttgart gegen den VfL Wolfsburg. Wie sein Fazit zum Abstieg der Schwaben ausfällt, lesen Sie hier.



Jonas Bischofberger analysiert auf seinem Blog www.vfbtaktisch.blogspot.de regelmäßig die Spiele des VfB Stuttgart. Für unsere Zeitung wirft er einen genauen Blick auf die Partie des VfB gegen Wolfsburg.

Nimmt man die ersten rund zehn Minuten des VfB in Wolfsburg, so schienen sich im Spiel gegen den Ball durchaus Verbesserungen eingestellt zu haben. Die Flügelspieler standen etwas höher und rückten öfter heraus als zuletzt, sodass dem Gegner das Aufrücken über die Flügel erschwert wurde. Außerdem arbeiteten die beiden Pressingspitzen Kravets und Didavi aufmerksam und weit nach hinten mit, um das erneut unkompakte VfB-Mittelfeld mitabzudecken. Auf diese Weise gelang es dem VfB zunächst relativ gut den Gegner auf den Seiten einzuschnüren und ein Vorwärtskommen zu verhindern.

Diese neue alte Stabilität war allerdings nur von kurzer Dauer. Mit der Zeit offenbarten sich im Defensivverbund des VfB die altbekannten Schwachpunkte. Zwischen den beiden Sechsern und besonders um den defensivtaktisch nicht sehr zuverlässigen Gentner herum öffneten sich Lücken, in die vor allem Max Kruse gerne zurückfiel, um dort den Ball zu fordern. In solchen Situationen rückte Wolfsburgs Achter Paul Seguin nach vorne auf und verhinderte so, dass ein Innenverteidiger Kruse folgen konnte. Auf diese Weise behauptete der VfL den Ball inmitten der Stuttgarter Formation und verlagerte von dort aus beispielsweise auf Schürrle, der dann ins Eins-gegen-Eins mit Zimmermann gehen konnte.



Schlecht ausgespielte Konter

Um selbst zu Toren zu kommen, wählte Jürgen Kramny eine auf dem Papier recht konterstarke Aufstellung: Mit Lukas Rupp hatte der VfB wieder einen Balleroberer im Zentrum, der Umschaltangriffe einleiten und mitgestalten konnte. Vorne gab es mit Werner nd Kostic schnelle Optionen auf den Flügeln, während Kravets mit seinen Bewegungen vor allem Raum für Timo Werner schaffen sollte. So gut diese Konstellation in der Theorie aussah, so wenig wurde daraus gemacht. Zwar hatte der VfB wegen Wolfsburgs gestreckter Offensivformation nach Ballgewinn genug Zeit, um die Kugel in den Zwischenräumen zu sichern, aber die folgenden Angriffe spielten sie schlecht aus. Oft erfolgte nach der Balleroberung kein direkter Fokus nach vorne, sondern der VfB nahm mit Quer- oder Rückpässen unnötig Tempo heraus. Im schlechtesten Fall geriet dabei sogar noch der Mitspieler unter Gegnerdruck. In anderen Szenen griffen die Stuttgarter überhastet zu langen Bällen, die von Kravets gegen Dante und Naldo kaum kontrolliert zu behaupten waren. Den Ball durch das Mittelfeld zu treiben und mit zielgerichteten Kombinationen nach vorne zu tragen gelang dem VfB kaum einmal.

Da auch der Stuttgarter Spielaufbau bemerkenswert unambitioniert blieb, erspielten sich die Gäste über die erste Halbzeit hinweg keine wirkliche Torchance, abgesehen von Harniks Lattentreffer kurz vor der Pause. Der Plan, Didavi und Gentner links aufrücken zu lassen und dort Überzahl herzustellen wurde zu inkonsequent umgesetzt und entfaltete kaum Wirkung. Auf der anderen Seite ging Wolfsburg nach einem schlecht verteidigten Einwurf in Führung. Ein Konter, bei dem Gentner es versäumte, den aufgerückten Rupp abzusichern landete schließlich zum 2:0 im Netz.

Riskantes Aufrücken nach der Pause

Angesichts dieses Rückstands musste der VfB in der zweiten Halbzeit noch mindestens drei Tore erzielen, um den Klassenerhalt vielleicht doch noch möglich zu machen. Um diese minimale Chance zu ergreifen rückten nach der Pause alle Mannschaftsteile der Stuttgarter aggressiver auf. Die Pressinglinie wurde deutlich nach vorne verlagert, die Verteidiger rückten häufiger auf ihre Gegenspieler heraus und auch die Sechser unterstützten die vorderste Linie, indem sie abwechselnd weiter nach vorne schoben. Auf diese Weise zwangen sie den VfL zu langen Bällen. Stuttgart konzentrierte sich nun eher auf die rechte Seite, wo der gut zurückfallende Harnik gemeinsam mit Rupp ein paar ordentliche Szenen aufzog. Aus den vielen Umschaltsituationen heraus agierte der VfB zielstrebiger und kam zu mehr Abschlüssen, ohne jedoch die letzte Schlagkraft zu entwickeln.

Insgesamt agierte der VfB aber recht unausgewogen, sodass sich die Nachteile des riskanten Aufrückens deutlich zeigten. Nach Ballverlusten konnten sich die Wolfsburger immer wieder in den gegnerischen Formationslöchern freischwimmen und so zu Kontern kommen. Als die Zeit knapp wurde und Didavi per Freistoß sogar noch der Anschlusstreffer gelang, ging der VfB immer mehr Risiko. Für weitere Treffer reichte es aber nicht mehr. Dass Wolfsburg in Person von André Schürrle erst in der Nachspielzeit per Konter das dritte Tor nachlegte, war vor allem den Paraden von Mitchell Langerak zu verdanken.

Fazit

In den letzten Wochen konnte der VfB jene Qualitäten, die ihn vor Monaten noch ins vermeintlich sichere Mittelfeld geführt hatten nur mehr andeuten. Die wichtigste Stuttgarter Waffe, die überfallartigen Konter aus dem Frühjahr, blieb irgendwo auf der Strecke und konnte zu keiner Zeit wiederbelebt werden. Gleichzeitig wurde das Pressingverhalten gezwungenermaßen vielseitiger und aggressiver, aber damit auch unzuverlässig und lückenhaft. Die Ursachen dieser Negativentwicklung sind spekulativ, aber dass an ihrem Ende ein verdienter Abstieg steht lässt sich kaum bestreiten.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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