Bruno Labadia

"Ich habe den VfB schätzen gelernt"



Im Exklusiv-Interview spricht Bruno Labbadia über die Ziele mit dem VfB, seine Fußball-Romantik und ein besonderes Tor aus dem Jahr 1991.

Hallo Herr Labbadia, erst einmal herzlichen Glückwunsch zur Vertragsverlängerung. Am 13. April 1991 sind Sie im Trikot des späteren Meisters 1. FC Kaiserslautern im Spiel gegen Bayer Leverkusen im Strafraum zwei Mal mehr oder weniger gefoult worden, zwei Mal wieder aufgestanden, haben weiter gemacht und letztlich ein Tor erzielt. Inwiefern steht diese Szene symbolisch für Sie?
Bruno Labbadia: (lacht) "Es hat mir zumindest einen Vertrag beim FC Bayern eingebracht, das hat Jupp Heynckes damals gesagt. Einen Mensch, der nie aufgibt, den können wir gebrauchen, meinte er. Diese Art hat mich aber immer schon begleitet. Als Kind musste ich mich mit meiner Größe beim Fußball auch stets besonders durchsetzen. Das Wichtigste ist jedoch, dass dieses Tor eine Signalwirkung hatte, wir noch das Unentschieden in Leverkusen geschafft haben, das einen wichtigen Punkt für die spätere Meisterschaft bedeutet hat."

Diese Szene passt insofern sogar doppelt zu Ihnen, weil sie Ihre Stehaufmännchen-Qualitäten illustriert hat, aber irgendwie auch symbolisch dafür steht, dass Sie nun nach zweimaligem "Hinfallen" bei Ihrer dritten Trainerstation in der ersten Liga den größten Erfolg haben. Wieso kommen Sie hier beim VfB als Chefcoach am besten klar?
Bruno Labbadia: "Wenn ich auf die anderen beiden Stationen eingehe, dann hat das aus verschiedenen Gründen nicht funktioniert. Manchmal passt es einfach nicht. Beim VfB Stuttgart war die Situation ganz anders. Ich habe den Klub in einem gefährlichen Stadium übernommen, was für mich absolutes Neuland und nicht einfach war. Die Entscheidung für den VfB war nur möglich, weil ich topvorbereitet war. Der Abstiegskampf hat mich dann kompletter als Trainer gemacht. Darüber hinaus bin ich in dieser Phase und in den zwei Jahren, in denen wir alle gebuckelt haben, mit diesem Klub und mit den handelnden Personen zusammengewachsen. Trotz aller Schwierigkeiten, die wir zu bewältigen haben, ist mir der Verein aufgrund dieser Ereignisse sehr ans Herz gewachsen. Das ist auch mit einer der Hauptgründe, warum ich mich jetzt dafür entschieden habe zu verlängern. Ich habe den Verein schätzen gelernt – auch mit all seinen schwierigen Facetten. Ich sehe das Potenzial des Klubs und die Möglichkeit, dass man den Verein noch weiter nach vorne treiben kann, was dieser selbst auch anstrebt. Hier beim VfB ist etwas am Wachsen und ich würde das natürlich gerne als Trainer weiterwachsen sehen."

Sie haben gerade auch schon Ihre Ziele für die kommenden Jahre angesprochen. Welche Wünsche haben Sie denn für die Zukunft, um diese Ziele zu erreichen – sowohl vereinsintern als auch extern?
Bruno Labbadia: "Wir versuchen immer wieder, die Fans und alle anderen Personen im Umfeld mitzunehmen, ihnen Schwierigkeiten zu erklären. Das soll niemals ein Jammern sein, es geht uns vielmehr darum, dass die Leute die Gegebenheiten besser einschätzen können. Wir mussten in den vergangenen zwei Jahren wesentlich kleinere Brötchen backen als unsere so genannten Konkurrenten, denn alle möchten uns unter den ersten sechs Teams sehen. Und trotz der Einsparungen haben wir es geschafft, ins internationale Geschäft zu kommen. Die Erwartungen sind hier in Stuttgart aber noch höher. Natürlich würden auch wir gerne in der Champions League spielen, wer will das nicht. Aber das darf nur mit einer gesunden Art und Weise geschehen. Das versuche ich den Leuten immer wieder klar zu machen, denn ich wünsche mir ein sehr gutes Miteinander. Vom Verein erwarte ich, dass es so weiter geht wie bisher, nämlich dass wir sehr sauber miteinander umgehen, offen sind und zusammen unsere Ziele ausloten. Auch hier ist mir ein Miteinander wichtig."

Sie haben betont, dass Ihnen das Miteinander wichtig ist, da passt eine Beschreibung aus einem "taz"-Porträt ganz gut. Dort stand geschrieben: "Niederlagen der Mannschaft sieht er als persönliche Niederlagen." Wenn das stimmt, resultiert dann daraus auch Ihre große Akribie, Ihr starker Ehrgeiz?
Bruno Labbadia: "Gerade hier in Stuttgart haben wir eine Mannschaft, die wirklich immer will. Wenn wir dann, wie jetzt in den ersten beiden Spielen der Rückrunde, selbst die Dinger reinlegen, dann tut es mir weh. Wir haben nicht toll gespielt, aber wir haben die Partien unnötig verloren und hätten mehr verdient gehabt. Ansonsten gehört im Trainerberuf Akribie einfach dazu, weil man im Detail arbeiten muss. Das ist noch mehr gefragt, wenn man weniger Möglichkeiten hat. Wir müssen täglich gucken, wo man noch Ressourcen rausziehen kann. Das versuchen wir jeden Tag mit den Spielern zu erarbeiten. Da haben wir in den vergangenen zwei Jahren auch schon eine Entwicklung feststellen können. Diese möchten wir jetzt natürlich noch festigen, wir wollen Kontinuität und Stabilität reinbringen, ein bisschen mehr Klarheit, damit wir nicht mehr diese Ups and Downs haben. Generell betrachtet ist der Weg des VfB ein bodenständiger. Er dauert zwar länger, aber auf Dauer wird er erfolgreicher sein. Dafür müssen wir jedoch alle kontinuierlich weiterarbeiten."

Wenn man einem weiteren Porträt glauben kann, gehen Sie diese Arbeit als "sentimentaler und harter Hund" an. So wurden Sie jedenfalls beschrieben, können Sie damit leben?
Bruno Labbadia: "Bis zu einer gewissen Phase war ich ein unglaublicher Romantiker, was den Fußball betrifft. Das hat sich ein wenig gelegt, was in meinem Fall gar nicht so schlecht ist. Fußball hat mir in meinem Leben einfach unheimlich viel gegeben. Ich liebe Fußball, das ist, glaube ich, was mit 'sentimental' gemeint ist. Andererseits fordere ich sehr viel als Trainer, weil ich weiß, dass mit Talent allein nichts vorangeht. Diejenigen, die Talent haben und bereit sind damit zu arbeiten, können richtig weit kommen. Ich verlange von meinen Spielern, viel einzubringen, weil es einfach ein sensationeller Beruf ist. Entscheidend ist dabei allerdings, was wir unter Arbeit verstehen: nämlich viel mit dem Ball und vor allem mit Freude zu hantieren."

Sie haben in Ihrer Tätigkeit außerdem viel mit Medienanfragen zu tun. In Interviews und Pressekonferenzen müssen Sie naturgemäß häufig auf ähnliche Fragen antworten. Es ist Ihnen dabei dennoch stets immer wichtig, die Leute mitzunehmen, ihnen Erklärungen zu liefern. Was treibt Sie dabei eigentlich an?
Bruno Labbadia: "Manchmal frage ich mich das auch, da bin ich ehrlich. Vielleicht ist das wieder diese Romantik, dass ich immer denke: Wenn Menschen aufhören, das, was sie lieben, zu verteidigen und anderen näher zu bringen, dann geben sie sich komplett auf. Natürlich gibt es auch Tage, an denen ich denke: Da könnte ich jetzt auch gegen die Wand reden. Es ist schade, dass es so ist. Da ich aber bei meinen Kindern oder meinen Spielern immer einfordere nie aufzugeben, kann ich das natürlich auch nicht tun. Sonst verleumde ich mich ja und das will ich nicht. Man muss als Trainer viele Kompromisse eingehen, aber ich habe mir geschworen, das nur bis zu einem gewissen Grad mitzumachen. Wenn ich also meine Persönlichkeit ändern müsste, dann wäre das ein klarer Grund aufzuhören."

So eine Persönlichkeit entwickelt sich ja über die Jahre hinweg, auch noch im Erwachsenen-Alter. Daher ist der Trainer Bruno Labbadia sicherlich ein Stück weit anders als es der Spieler war. Was konnten Sie derweil von Ihrer Laufbahn als aktiver Profi mit in den Trainerberuf nehmen?
Bruno Labbadia: "Der Beruf Fußballtrainer erfordert eine permanente Entwicklung, ein permanentes Beobachten. Dieser Job ist äußerst vielseitig. Ich glaube, das können sich wenige vorstellen. Auch als Spieler habe ich gedacht, dass ich ein bisschen so denke wie ein Trainer. Aber Pustekuchen. Man wird für alles in die Verantwortung gezogen und permanent attackiert. Man kann dennoch relativ viel mitnehmen, das große Selbstwertgefühl beispielsweise oder das Ruhe bewahren. Ich kann zudem mit einem Spieler mitfühlen, wenn er beispielsweise eine Chance vergibt, ich kann also einiges nachvollziehen. Das Wichtige bei allem ist aber, dass man bereit ist sich weiterentwickeln zu wollen, denn Stillstand bedeutet heute im Fußball Rückschritt. Daher versuche ich mich ständig weiterzuentwickeln, und zwar nicht nur auf Fußball bezogen, sondern auch auf die Menschenführung."

Dass Ihnen das wichtig ist, zeigen auch die Einzelgespräche, die nach den Trainingseinheiten häufig führen. Müssen Sie als ehemaliger Stürmer eigentlich mehr mit Ihren Verteidigern oder mehr mit Ihren Offensivkräften diskutieren?
Bruno Labbadia: "Es gibt für mich einen klaren Grund, warum ich Trainer geworden bin. Ich möchte meinen offensiv geprägten Fußball mit meinen Mannschaften spielen, ich möchte das Spiel bestimmen. Da kann ich also gar nicht zwischen offensiv und defensiv unterscheiden. Ich lege demnach genauso viel Wert auf die Abwehr. Natürlich kann ich mich in den Stürmer besser reinfühlen. Doch es spielt überhaupt keine Rolle, ob man Stürmer oder Verteidiger war oder ob man 500 Partien absolviert hat. Die Spieler merken nach drei Wochen, ob der Trainer Ahnung hat oder nicht. Es ist bei uns witzigerweise sogar umgedreht, denn ich übernehme häufiger das Verteidigertraining mit der Viererkette und mein Co-Trainer Eddy die Übungseinheiten mit den Stürmern."



Quelle: vfb.de


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