2. Liga

"Arminia-Fans sind viel Leid gewohnt"

Im Interview für "stadion aktuell" spricht Rüdiger Kauf, der auch zehn Jahre das Trikot von Arminia Bielefeld trug, über die Philosophie und die Eigenheiten seines Ex-Klubs.



Er trug zehn Jahre lang das Arminia-Trikot, war drei Spielzeiten lang der Kapitän, avancierte zum Bundesliga-Rekordspieler des Vereins und war so beliebt, dass die Anhänger sogar einen Fanclub nach ihm benannten: Rüdiger Kauf, von 1998 bis 2001 auch für den VfB am Ball, war zu Beginn des Jahrtausends eines der prägenden Gesichter beim heutigen VfB Gegner. Im Interview spricht der 41-Jährige, der nach seinem Karriereende bis 2015 für Arminia Bielefeld noch als Scout arbeitete, über die Philosophie und die Eigenheiten seines Ex-Klubs und sagt: „Bei Arminia passieren alle paar Jahre Dinge, die unglaublich sind. Da geht dir abends nie der Gesprächsstoff aus.“

Herr Kauf, Arminia Bielefeld ist im Mai 2009 nach fünf Jahren in der Eliteklasse aus der Bundesliga abgestiegen. Warum haben Sie damals eigentlich den Verein nicht verlassen?
Rüdiger Kauf: „Ein Wechsel kam für mich damals nicht infrage. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits acht Jahre für Arminia Bielefeld gespielt, da war mir der Verein längst ans Herz gewachsen. Außerdem habe ich mich dort auch außerhalb des Fußballs sehr wohl gefühlt. Die Ostwestfalen haben eine ähnliche Mentalität wie die Schwaben. Sie sind am Anfang erst einmal ein wenig verschlossen, da brauchst du ein bisschen Zeit, bis du mit ihnen warm wirst. Wenn du jemand bist, der offen auf die Leute zugeht und erwartet, dass sich die anderen dir gegenüber genauso verhalten, dann ist es am Anfang vielleicht ein wenig schwierig. Aber ich war diese Mentalität ja von hier gewohnt. Von daher hat es mir auch die ganzen Jahre in Bielefeld immer gut gefallen, da wechselst du dann nicht mehr so einfach den Verein. Das war der Hauptgrund, warum ich bei Arminia Bielefeld geblieben bin.“

Aber nicht der einzige?
Rüdiger Kauf: „Ich hatte damals auch schon ein gewisses Alter erreicht, war 34 Jahre alt. Außerdem hatten wir ja auch gedacht, dass wir gleich wieder aufsteigen. Klar, direkt nach dem Abstieg war die Enttäuschung da. Aber die ist dann gewichen, weil deutlich wurde, dass wir eine starke Mannschaft haben werden, mit der wir eigentlich hätten aufsteigen müssen. Doch dann gab es andere Probleme, intern im Verein. Da kamen finanzielle Schwierigkeiten auf, weil die Saison nicht ganz durchfinanziert war. Insgesamt sind viele Sachen zusammengekommen – aber das ist Arminia. Es entstehen relativ schnell mehrere Nebenkriegsschauplätze.“

Erklärt das auch, dass Arminia Bielefeld – die fünf Jahre mit Ihnen in der Bundesliga mal ausgenommen – seit Anfang der 90er Jahre nie mehr als zwei Spielzeiten am Stück in der gleichen Liga gespielt hat?
Rüdiger Kauf: (lacht). „Das ist halt Arminia! Bei Arminia ist normalerweise immer was los, die Mannschaft kämpft immer um den Aufstieg oder gegen den Abstieg. In der vergangenen Saison war der Klassenerhalt mal ein paar Spieltage vor Schluss gesichert, aber sonst bleibt es bei Arminia immer bis zum Saisonende spannend. Bei Arminia geht dir abends nie der Gesprächsstoff aus. Schauen Sie: Es gab den Bundesligaskandal – Arminia war dabei. Dann die ganzen Auf- und Abstiege. Dann das Relegationsspiel 2014 gegen Darmstadt, in dem man eigentlich schon durch war, aber in der Nachspielzeit noch ein Tor kassiert hat und deswegen in die dritte Liga abgestiegen ist. Bei Arminia passieren alle paar Jahre Dinge, die unglaublich sind. Aber genau solche Dinge schweißen Fans und Mannschaft zusammen, weil man sich immer wieder berappelt und es trotz allem immer weitergeht. Die Fans von Arminia sind viel Leid gewohnt. Sie verfolgen die Entwicklungen auch kritisch. Aber wenn es wirklich darauf ankommt, versuchen sie alles, damit der Verein nicht untergeht. Arminia hatte auch in der dritten oder gar vierten Liga immer einen treuen Stamm an Fans, auf den man sich verlassen konnte. In der Stadt ist Arminia auf jeden Fall die Nummer eins. Und auch in der Region gibt es wenig anderes, das ist von den Sportarten und den Alternativen im Fußball mit der Region Stuttgart nicht vergleichbar.“

Es gibt aber immerhin den SC Paderborn, der weniger als 50 Kilometer entfernt ist. Ist Paderborn im Kampf um Fans, Sponsoren und vor allem auch um die Talente der Region keine Konkurrenz für Arminia Bielefeld?

Rüdiger Kauf: „Der SC Paderborn hat einfach nicht so eine Tradition wie Arminia Bielefeld. Paderborn war in der jüngeren Vergangenheit mal vorübergehend für wenige Jahre vor Bielefeld. Die ganze Zeit davor war Paderborn aber immer hinter Bielefeld, daher ist das keine Konkurrenz. Im Kampf um die Talente heißen die Konkurrenten vor allem Borussia Dortmund und FC Schalke 04, auch wenn diese Vereine über 100 Kilometer von Bielefeld entfernt beheimatet sind. Manchmal gehen die Talente auch nach Leverkusen oder Köln, obwohl das noch weiter entfernt ist. Grundsätzlich ist es so: Die jungen Talente orientieren sich recht schnell in Richtung Ruhrpott, die gehen in der U17 oder teils noch früher zu Ruhrpott-Klubs. Da ist es für Arminia brutal schwierig, die jungen Talente zu bekommen.“

Hat Arminia Bielefeld denn gerade bei den ganz jungen Talenten gar keinen Vorteil gegenüber den weit entfernteren Klubs?
Rüdiger Kauf: „Die Nachwuchsförderung stand und steht bei Arminia generell nicht an erster Stelle. Das große Problem ist, dass die wenigen finanziellen Mittel, die zur Verfügung stehen, zum Großteil erst einmal in die erste Mannschaft fließen. Bei Arminia steht an erster Stelle, dass man sich über Wasser hält. Hinzu kommt das Problem, dass es bei Arminia immer auf und ab ging. Dortmund, Schalke, Leverkusen und Köln haben nicht nur einen ganz anderen Namen. Dort hast du – im Gegensatz zu Bielefeld in der Vergangenheit – auch eine gewisse Planungssicherheit, eine viel höhere Wahrscheinlichkeit, dass der Verein in ein paar Jahren noch in der Bundesliga spielt. Die Philosophie von Arminia ist daher, dass man nach Leuten schaut, die bei anderen Vereinen nicht funktioniert haben und dann schaut, dass sie bei Arminia funktionieren. Dass man sie aus Nischen rauszieht. Beispielsweise Spieler, die vom Entwicklungsstand her noch nicht so weit sind, aber dafür dann bei Arminia den nächsten Schritt machen. In den letzten Jahren hat man deshalb auch viele Ausleihgeschäfte gemacht.“

Was trauen Sie denn dem aktuellen Team in dieser Saison noch zu?
Rüdiger Kauf: „Jetzt muss man erst einmal schauen, dass man unten rauskommt. Das Team hat ja von den ersten zehn Spielen keines gewonnen. Da muss jetzt mit dem neuen Trainer erst einmal eine gewisse Stabilität reinkommen. Man muss jetzt schauen, dass man die Hinrunde vernünftig zu Ende spielt, damit man in der Rückrunde nach oben schauen kann. Wenn sich die Mannschaft zusammenreißt, dann traue ich ihr den Klassenerhalt zu. Bei Arminia ist die Qualität der Einzelspieler nicht ganz so stark wie bei anderen Mannschaften, aber über den Zusammenhalt hat man es immer wieder geschafft. Das war in den ersten Spielen dieser Saison allerdings nicht so, das muss jetzt wieder kommen. Man muss schauen, dass man irgendwie die Klasse hält.“

Damit mal wieder Kontinuität und dadurch auch ein bisschen mehr Ruhe in den Verein kommt.
Rüdiger Kauf: „Genau. Im Fußball ist es ja generell schwierig, mehrere Jahre vorauszuplanen. Natürlich lebt der Fußball heutzutage vom Tagesgeschäft. Du kannst einen Fünfjahresplan machen, aber weißt nicht, was in drei Monaten ist. Aber klar ist auch: Umso länger du in der zweiten Liga spielst, umso gefestigter bist du und umso größer ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass du mal wieder was aufbauen kannst, was bei Arminia immer wieder durch Abstiege zerstört wurde.“

Quelle: vfb.de


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