Bundesliga

Robin Dutts Hochseilakt mit Absturzgefahr

Der Umbau beim VfB hat schon begonnen, er kommt aber bei der Mannschaft ins Stocken. Für die Sanierung fehlt das Geld. Am Ende könnte der VfB wieder ins Abstiegsgefahr geraten – und Sportvorstand Robin Dutt der Dumme sein.



Die Pläne sind entworfen, die Baumeister machen sich ans Werk. Von Aufbruch ist die Rede, von Um- und Neubau und davon, dass das neue Haus des VfB Stuttgart in ein paar Jahren wieder leuchten soll wie in seinen besten Zeiten. Und einige der Sportsfreunde, die im Winter noch kritische Beiträge darüber formulierten, dass Robin Dutt womöglich eine Fehlbesetzung sei als sportlicher Leiter, heben ihn jetzt mit wolkigen Worten in den Himmel.

Das allerdings ist bei Lichte betrachtet so töricht wie gefährlich. Denn obwohl sich die Dinge beim VfB Stuttgart auf Sicht wieder zum Besseren wenden sollten, bleibt das Geschäft so kurzatmig wie eh und je. Und weil das so ist, fragt nach der Hälfte der nächsten Saison vermutlich niemand mehr nach der Zeitschiene in den Umplänen von Robin Dutt und seinen Helfern, wenn der VfB dann wieder mal in den Abgrund blicken sollte. „Ich weiß, dann bin ich der Depp“, sagt ­Robin Dutt, hebt abwehrend die Hände und stellt die Gegenfrage: „Aber was ist die ­Alternative?“

Das wäre mit einiger Sicherheit ein Wandel, der nicht nur im Schneckentempo vorankommt. Aber der kostet viel Geld. Und dem Verein, der seit der Meisterschaft 2007 rund 160 Millionen Euro in den Falltüren des Transfergeschäfts versenkt hat, fehlen nun die Mittel, um zu tun, was zu tun ist. Zehn Spieler müssten eigentlich vom Hof, um dem neuen Trainer Alexander Zorniger die Arbeit in unbelasteter Umgebung zu sichern. Aber selbst wenn die VfB-Bosse ihre Großverdiener kostenlos per Spedition ausliefern würden – es gibt wenig Vereine, die für die Durchschnittskicker von der Ersatzbank eines Fast-Absteigers ihre Konten plündern. Nach Schätzung von Experten müsste der VfB allein zehn Millionen Euro in die Hand nehmen, um seinen Kader mit goldenen Handschlägen nennenswert zu lichten. Aber in der Vereinskasse klimpert nach sportlich dürren Jahren nur noch Kleingeld. Im Geschäftsjahr 2013 meldete der VfB einen Verlust von 3,1 Millionen Euro.

Weshalb man keine Bank führen muss, um zu ahnen: Dutt wird Spieler verkaufen, deren Entwicklung man lieber noch ein Weilchen im weiß-roten Trikot beobachtet hätte. Antonio Rüdiger ist an erster Stelle zu nennen. Wenn es gut läuft, legt ein Club zehn Millionen Euro für den Innenverteidiger auf den Tisch. Ein neuer Innenverteidiger mit Entwicklungspotenzial wäre wohl für vier Millionen Euro zu haben, für weitere vier Millionen könnte sich der VfB noch einen brauchbaren Außenverteidiger gönnen. Es blieben noch zwei für Abfindungen.

Das wird kaum reichen, um der Mannschaft jene Impulse zu geben, die sie braucht, um mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht wieder gegen den Abstieg zu spielen. Weshalb es kein Fehler ist, wenn der neue Finanzchef Stefan Heim intensiv prüft, was der Verein noch tun kann, um seinem Sportvorstand ein wenig unter die Arme zu greifen. Doch Investoren-Modellen nähern sich die VfB-Bosse traditionell so gern wie Allergiker einem Hornissennest: „Das Geld ist zu teuer und eine Hypothek auf die Zukunft.“

Weshalb sie den, der für die Misere der Vergangenheit am wenigsten kann, mit allen guten Wünschen begleiten bei seinem Drahtseilakt, die nächsten ein, zwei Jahre mit einer Mannschaft zu überstehen, die den Abstieg nur knapp verhindern konnte, aus wirtschaftlichen Gründen aber nicht grundlegend saniert werden kann. Und dies alles mit einem Trainer, der sich mit einem eher geringen Erfahrungsschatz ins Abenteuer Bundesliga stürzt.

Und schon laufen die ersten Wetten darüber, dass Aufsichtsratschef Joachim Schmid bei aufkeimender Abstiegsangst wie gewohnt darauf hinweisen wird, dass der VfB bei 110 Millionen Euro Jahresumsatz und Personalkosten von rund 43 Millionen Euro ja zumindest einen sicheren Platz im Mittelfeld einzunehmen habe. Was nicht falsch, aber nur die halbe Wahrheit ist. Denn auch die von ihm mitgetragene Politik im Aufsichtsrat trug einst mit dazu bei, dieses Geld auf Jahre hin in hoch dotierten Verträgen für durchschnittliche Spieler zu binden.

Robin Dutt ist sich seines Risikos bewusst, teilt aber bis auf weiteres die Einschätzung am weiß-roten Kabinettstisch. Er hofft auch ohne zusätzliche finanzielle Hilfestellungen die nächsten ein, zwei Jahre überstehen zu können. Er fürchtet im Gegenteil, dass durch frisches Geld übertriebene Erwartungen geschürt werden könnten. „Wir müssen jetzt diesen steinigen Weg gehen“, sagt Dutt, „und für die Zeit danach sehe ich eigentlich keinen Grund, warum Vereine mit deutlich knapperen Budgets vor uns stehen sollten.“

Schöner kann man es nicht formulieren.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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