Zorniger:

Ein Trainer demontiert sich selbst

Nur vier Punkte nach acht Spielen, aber jede Menge Probleme. VfB-Trainer Alexander Zorniger stellt VfB-Spieler öffentlich bloß, rumpelt in der Lümmelsprache durch die Liga und zeigt wenig Einsehen, irgendetwas daran zu ändern. Der schnellste Weg zur Selbstdemontage.


VfB-Trainer Zorniger: Stillose Auftritte, unglückliche Äußerungen.

Es weiß wohl niemand so genau, welcher Teufel ihn bisweilen reitet. Sicher ist dagegen, dass Alexander Zorniger inzwischen fast alles bestätigt, was vor seinem Dienstantritt beim VfB aus Leipzig an Befürchtungen zu hören war: Unbelehrbar sei er, hieß es, stockstur und verliebt ins eigene Ego. Das ist in der Regel wenig hilfreich für einen Coach, der nach acht Spieltagen mit vier Zählern ganz unten in der Tabelle aufgeschlagen ist. Unumstößliche Tatsache ist: Der VfB Stuttgart hat nach dem ersten Viertel der Saison so ziemlich jeden Negativrekord in seiner Bundesliga-Geschichte gebrochen – und hinter den Kulissen haben die Diskussionen längst schon die Drehzahl im roten Bereich erreicht: „Wie lange kann das noch gutgehen?“

Als wäre das nicht schon schlimm genug, nimmt sich der vierschrötige Schwabe mit dem Lümmel-Vokabular neuerdings auch noch den einen oder anderen Spieler zur Brust und streut dabei grundsätzliche Zweifel an den Qualitäten seines Teams. Aktuellstes Beispiel: die Kritik an Timo Werner, der dem Coach mit dem Ausgleich zum 2:2 bei 1899 Hoffenheim womöglich den Job rettete, danach aber von ihm dafür kritisiert wurde, dass er die Chance zum 3:2 nicht verwertet hatte. „Den Ball konnte Timo nicht reinmachen“, ätzte Zorniger nach Spielende, „er war ja noch so mit Küsschenverteilen nach dem 2:2 beschäftigt.“ Und als hätte er seinen Groll auch noch via Fernsehen zu belegen, hatte der VfB-Coach nach der versemmelten Chance vor der Tribüne demonstrativ Küsschen verteilt.

Um jedem Missverständnis vorzubeugen: Gegen Kritik und klare Ansagen ist wenig einzuwenden, solange der Fußball-Lehrer seine Mitarbeiter intern an den Ohren zieht. Teile des weiß-roten Kaders neigen ohnedies fast schon traditionell dazu, sich in den Komfortzonen des Geschäfts einzurichten. Zu den Todsünden eines Trainers zählt es aber, wenn er seinen Profis öffentlich die siegbringenden Parameter abspricht und seinen persönlichen Frust auf einzelne Spieler projiziert. So demontiert sich Zorniger selbst und schadet dem Verein. „Er ist drauf und dran, seine Mannschaft zu verlieren“, sagt ein Trainer-Kollege, „mag ja sein, dass er einzelne Spieler auf diese Weise provozieren will. Aber das sind nur Kurzzeiteffekte. Das Vertrauen ist nachhaltig beschädigt.“

Seine PR-Tour holt ihn ein

Der 18-jährige Timo Werner ist ja nicht der Einzige, der den Zorn des Zeus vom Cannstatter Wasen zu spüren bekam. Daniel Didavi wurde von Zorniger öffentlich als Knie-Fall behandelt, die Qualität von Georg Niedermaier als Zweikämpfer infrage gestellt. Nach den ersten Niederlagen zweifelte der Coach öffentlich am Standard des Kaders von Nummer 15 bis 23. Wie passt das zusammen mit den Auftritten vor der Saison, als Alexander Zorniger mit der Attitüde des Alleskönners ein wenig großspurig von seiner alternativlosen Spielidee schwadronierte? Jetzt holt ihn seine PR-Tour durch die Sportteile deutscher Zeitungen gnadenlos wieder ein.

Und es ist nicht so, dass ihn niemand gewarnt hätte. Sportvorstand Robin Dutt und die VfB-Presseabteilung jedenfalls rieten dem Vernehmen nach immer wieder zur Mäßigung. Zornigers stereotype Replik: „Ich lass’ mich nicht verbiegen. Dann bin ich nicht mehr authentisch.“ Ex-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder pflegte in solchen Fällen kühl lächelnd zu antworten: „Und ich brauch’ einen Trainer, der die Probleme löst und nicht nur klug über sie redet.“
Kopfschütteln im Verein

Beim VfB erinnern sie sich in diesen Tagen nicht zufällig an Ex-Trainer wie Rolf Fringer, der die Viererabwehrkette zelebrierte, die Öffentlichkeit aufs Feinste unterhielt, darob viele Sympathien sammelte, im Umgang mit der Mannschaft aber nicht die passende Tonart fand. Als er dann „mehr Häuptlinge und weniger Indianer forderte“ und klarstellte, dass er „Mokassins nicht in Lackschuhe“ verwandeln könne, war seine Uhr abgelaufen. Ähnlich erging es Jürgen Röber, der den Libero vor der Abwehr so lange predigte, bis den Dümmsten aufgefallen war, dass der Abwehrrecke Slobodan Dubajic überall rumturnte, nur nicht dort, wo es gerade lichterloh brannte. Oder Giovanni Trapattoni, der sein Defensivkonzept auch noch in religiöser Verehrung lehrte, als längst klar war, dass es zu dieser Mannschaft so gut passte wie eine Most-Schorle zum ­Tiramisu.

Offiziell verbreiten die VfB-Bosse nun die Version, Zorniger habe sich bewusst entschieden, die Mannschaft mit derart spitzer Klinge zu kitzeln. Intern schütteln sie nur noch fassungslos den Kopf und fragen: „Kann ihn denn niemand mehr aufhalten?“ Von intensiven Gesprächen mit Sportvorstand Robin Dutt ist die Rede, angeblich ist Zorniger am Sonntag auch vor der Mannschaft ein Stück weit zurückgerudert.

Ob ihm das noch hilft, ist eine andere Frage. Alexander Zorniger braucht Erfolge, um die Reste seines Kredits nicht komplett zu verspielen. Ansonsten könnte bald schon der Umkehrschluss für Robin Dutts Treueschwur gelten: Der Trainer ist das Problem, aber nicht die Lösung.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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