Braunschweigs Trainer Torsten Lieberknecht

„Platz eins für den VfB ist berechtigt“

Braunschweigs Trainer Torsten Lieberknecht spricht vor dem Heimspiel gegen den VfB an diesem Montag (20.15 Uhr/Sport 1) über die kleine Durststrecke der Eintracht sowie über sein Interesse an Stuttgarter Spielern.


Torsten Lieberknecht ist mit neun Dienstjahren der Rekordtrainer von Eintracht Braunschweig

Herr Lieberknecht, wie ist Ihre Gefühlslage, wenn der VfB nach fünf Siegen am Stück im Eintracht-Stadion aufkreuzt? Verliert Ihr Team die Partie, beträgt der Rückstand auf Stuttgart ja bereits zehn Punkte.
Der VfB ist ein großer Club in Deutschland. Es macht daher immer Spaß, gegen so ein Team zu spielen. Wir freuen uns auf die Partie. Der Tabellenplatz eins ist für die Stuttgarter übrigens absolut berechtigt, denn der VfB hat optimal gepunktet und zeigt so die vorhandene Klasse des Kaders.

Ihr Sieg in Sandhausen am vergangenen Wochenende war dagegen der bisher einzige nach der Winterpause. Hat sich Eintracht Braunschweig eine Mini-Krise genommen?
Das Wort Krise benutzen wir nicht. Schließlich kann es in der zweiten Liga immer mal vorkommen, dass man weniger punktet. Auch die Konkurrenz betont ja stets, wie ausgeglichen die Liga ist. Ich bin mir daher sicher, dass es keinen Durchmarsch eines Vereins geben wird. Wichtig ist für uns in der aktuellen Phase, dass wir nie zweimal hintereinander verloren haben. Die Mannschaft hat also immer eine Reaktion gezeigt.

20 Spieltagen lang lag die Eintracht auf einem der ersten drei Plätze. Dass sie jetzt nur Vierter sind, haut Sie also nicht um?
Es hat uns natürlich nicht gefreut – und die Fans haben ein bisschen gemurrt. Aber sämtliche Verantwortliche sind ruhig geblieben, weil man derartige Situationen in einer langen Saison einfach mit einkalkulieren muss.

Im Umfeld des VfB gibt es die klare Erwartungshaltung, dass der Club direkt wieder aufsteigen soll. Wie steht es da um das Selbstverständnis der Eintracht?
Wir wollen den Verein unter den Top 25 in Deutschland halten, denn das gibt uns die Möglichkeit, weiter zu wachsen. Wir haben nach dem Bundesliga-Abstieg zwei Jahre lang mehr als einen guten Job gemacht, denn wir haben den Club immer im Dunstkreis des Aufstiegs bewegt. Natürlich gibt es hier auch Leute, die wollen die Eintracht nur noch in der ersten Liga sehen. Aber 90 Prozent des Umfelds sehen alles etwas nüchterner. Und dazu zählen auch die Menschen, die mich umgeben.

Ihr Team galt als sehr heimstark.
Davon können wir leider nicht mehr reden. Wenn du gegen Aue und St. Pauli vor den eigenen Fans keinen Dreier holst, dann bist du nicht mehr heimstark. Das ist also gegen den VfB kein Faktor. Entscheidend ist, dass wir gegen den Spitzenreiter motiviert sind und ein gutes Spiel abliefern wollen.

Der VfB hat mit der Verpflichtung vieler junger, eher unbekannter Spieler wie Takuma Asano oder Carlos Mané einen Umbruch eingeleitet. Wie nehmen Sie den Club wahr?
Ich merke schon, dass man in Stuttgart großen Gefallen am neuen Trainergespann und dem Spielstil der Mannschaft gefunden hat. Der VfB hat eine Elf zusammengestellt, die gerade durch ihre Schnelligkeit begeistern kann. Mit Profis, die dem Verein bei seinem Ziel Wiederaufstieg richtig weiter helfen. Es ist eine interessante Mannschaft. Spieler wie Carlos Mané und Takuma Asano waren uns auch bekannt. Oder Marcin Kaminski. Den wollten wir sehr gerne nach Braunschweig holen. In solchen Fällen merkt man dann aber, dass man im Budget ein bisschen kleiner planen muss als der VfB Stuttgart.

Wie haben Sie Ihre eigene Mannschaft zusammengestellt?
Bei uns ist Kontinuität ein sehr großer Faktor. Das haben wir schon immer so gemacht, denn es hilft, erfolgreich zu sein. Mit Spielern wie Mirko Boland, Ken Reichel oder Domi Kumbela, der zwischendurch mal weg war, arbeiten wir nun teilweise schon seit zehn Jahren zusammen. Das schafft eine hohe Identifikation. Wir hatten vor der vergangenen Saison einen großen Umbruch und haben den Kader nun so ergänzt, dass wir ein Team haben, dass einige Jahre zusammen spielen kann.

Nach Ihrer 0:2-Niederlage im Hinspiel wurde beim VfB der neue Cheftrainer Hannes Wolf präsentiert. Wie bewerten Sie ihn und seine Arbeit?
Wenn man Erster ist, dann macht man nicht viel falsch. In den schwierigen Situationen, dem 0:5 in Dresden oder den beiden Niederlagen am Ende der Vorrunde, haben alle, auch der Manager Jan Schindelmeiser, die Ruhe bewahrt. Obendrein ist eine große Unterstützung von außen, von den Fans zu spüren. Es ist eine Euphorie da – und die ist mit Sicherheit auch ein Verdient des Auftretens und der Arbeit von Hannes Wolf.

Sie sind seit 2008 der Chefcoach in Braunschweig, sind damit der Rekordtrainer der Löwen mit Vertrag bis 2020. Haben Sie keine Lust, mal etwas anderes zu machen?
Ich fühle mich hier gut aufgehoben, lebe aber nicht in einer Wohlfühloase. Schließlich ist auch Eintracht Braunschweig ein Traditionsverein, und hat daher mit einigen für diese Clubs üblichen Problemen zu kämpfen. Es wird also auch bei uns mal unruhig. Ich habe aber weiter total Lust auf die Mannschaft – und habe auch deshalb verlängert. Alles weitere kommt, wie es kommen soll. Ich konnte 2008 auch nicht absehen, dass es eine so lange Zeit wird.

In der Erstligasaison 2013/14 sind Sie als Eintracht-Trainer medial stärker in den Fokus gerückt und wurden positiv aufgenommen. Wollen Sie nicht mehr davon erleben?
Mir geht es beim Stichwort erste Liga weniger darum, im Mittelpunkt zu stehen, sondern um den Reiz, sich mit den Besten in Deutschland zu messen. Mein Bestreben ist es, dies hier mit einem Verein zu erreichen, dem man das vielleicht nicht zutraut.

Sie sind in Bad Dürkheim an der Weinstraße geboren, sprechen weiterhin Pfälzer Dialekt. Wie würden Sie sich selbst charakterisieren?
Ich bin authentisch, das trifft es wohl am besten. So gehe ich auf jeden Fall stets mit meiner Mannschaft um. Dazu liebe ich den Fußball durch und durch. Ich war früher Anhänger des 1. FC Kaiserslautern und bin in der Kurve gestanden. Daher weiß ich ganz gut, wie sich ein Fan fühlt.

Quelle: Stuttgarter Zeitung


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