Bundesliga-Experte Hamann:

"Vom Potenzial gehört der VfB in die obere Hälfte"

Jürgen Kramny hat das erste Spiel als Trainer des VfB Stuttgart verloren. Trotzdem glaubt SPIEGEL-ONLINE-Experte Dietmar Hamann an eine Erfolgsgeschichte. Dessen Karriere kam erst durch einen Trainerwechsel in Schwung.


VfB-Trainer Kramny: Endspiel gegen Werder Bremen

Dietmar "Didi" Hamann (Jahrgang 1973) gab 1993 sein Bundesligadebüt für den FC Bayern. Fünf Jahre später wechselte er in die Premier League, wo er für Newcastle United, den FC Liverpool und Manchester City spielte. Hamann absolvierte 59 Länderspiele und wurde 2002 Vizeweltmeister. Heute lebt er in der Nähe von Manchester, arbeitet als Experte für den Sender Sky und kommentiert für SPIEGEL ONLINE regelmäßig Entwicklungen in der Bundesliga und im internationalen Fußball.

Was konnte man von Jürgen Kramny nach fünf Tagen Trainingsarbeit beim VfB Stuttgart erwarten?

Viel mehr war nicht möglich, zumal mit Borussia Dortmund ein starker Gegner wartete. Wenn ein Trainer eine Mannschaft neu übernimmt, darf er auch nicht sofort zu viel ändern. Es gibt bestimmte Abläufe, und die sollte ein Trainer nicht innerhalb weniger Tage über den Haufen werfen. Beim VfB sind nun die kommenden Spiele entscheidend.

Ist Kramny ein Kandidat für ein langfristiges Engagement?

In der Bundesliga geht der Trend ja dahin, auf Nachwuchstrainer oder Trainertalente zu setzen. Deshalb kann ich es mir auch bei Jürgen Kramny gut vorstellen, dass er in Stuttgart eine langfristige Chance erhält. An erster Stelle steht aber der Erfolg, er muss bis zur Winterpause ein paar Punkte einfahren. Das kommende Heimspiel gegen Werder Bremen ist deshalb ein Endspiel - für den VfB, aber vermutlich auch für Kramny. Er muss vor allem die unter Alexander Zorniger verloren gegangene Balance zwischen Defensive und Offensive herstellen. Vom Potenzial her gehört der VfB sogar in die obere Tabellenhälfte.

Trainerwechsel können oft einen Schub geben, wie in Mönchengladbach, wo André Schubert überzeugt. Warum?

Er hat zunächst mal eine erstklassige Mannschaft zur Verfügung, die er von Lucien Favre in einem guten Zustand übernommen hat. Ich ziehe den Hut vor Favre, der nach der langen Zeit erkannte hatte, dass er die Mannschaft nicht mehr erreicht - und von selbst gegangen ist. Das war wichtig für die Mannschaft, und Schubert hat es im Anschluss sehr gut gemacht. Er hat den Spielern etwas mehr Leine gegeben, und die danken es ihm mit tollen Leistungen. Und manchmal brauchst du eben auch das Quäntchen Glück, das hatte Schubert beim ersten Sieg gegen den FC Augsburg.

Wie gehen Spieler ganz allgemein mit Trainerwechseln um?

Für mich als Spieler war das letztlich egal. Ich werde vom Verein bezahlt, und ein Profi ist in der Pflicht, immer alles zu geben. Sicherlich kommt man als Spieler mit dem einen Trainer besser zurecht als mit einem anderen. Wichtig sind Trainerwechsel in der Regel für Spieler aus der zweiten Reihe, die zuvor keine Chance bekommen haben und sich nun wieder zeigen können.

Wie war das damals zu Beginn Ihrer Karriere beim FC Bayern?

Der Wechsel von Erick Ribbeck zu Franz Beckenbauer in der Winterpause 1993/1994 war der Startschuss für meine Karriere. Unter Ribbeck habe ich zwar ab und zu mittrainiert, gespielt habe ich aber nie. Als ich dann mit ins Trainingslager nach Teneriffa fliegen durfte, nahm mich Beckenbauer am letzten Tag zur Seite und sagte mir, es gäbe kein Zurück zu den Amateuren. Ich wurde dann im ersten Spiel eingewechselt, und so ging meine Karriere los. Wenn Ribbeck geblieben wäre, hätte ich mich wohl zu einem Zweitligisten verleihen lassen, um mehr Spielpraxis zu bekommen. Deshalb kann ich Beckenbauer sehr dankbar sein.

Gab es in Ihrer Karriere entscheidende Trainerwechsel?

Für mich persönlich war Giovanni Trapattoni der wichtigste Trainer in meiner Karriere. Er kam 1994 für ein Jahr zum FC Bayern und kehrte 1996 für zwei weitere Jahre zurück. Es war nicht die erfolgreichste Zeit des Vereins, aber wie er sich um die jungen Spieler gekümmert hat, das war beispielhaft. Deshalb denke ich auch, dass der Sieg in der Champions League 2001 für die Bayern nicht ohne Trapattoni möglich gewesen wäre. Spieler wie Zickler, Janker, Kuffour oder auch Scholl haben von Trapattonis akribischer Arbeit profitiert.

Gibt es klassische Feuerwehrmänner?

Gerade bei Huub Stevens in Hoffenheim muss ich sagen, dass man ihm damit Unrecht tut. In den vergangenen Jahren beschränkte sich seine Arbeit zwar auf den Abstiegskampf, wie zweimal in Stuttgart. Aber zuvor hatte er ja gezeigt, dass er auch langfristig Erfolg haben kann. Trotzdem gibt es Trainer, die das besonders gut können. Felix Magath beispielsweise. Er erkennt sehr schnell, auf wen er sich in einer Mannschaft verlassen kann, und das ist im Abstiegskampf sehr wichtig. Wenn ich beim VfB in der Verantwortung wäre und mit Kramny sollte es schiefgehen, würde Magath auf meiner Liste stehen. Er ist immer noch ein Trainer für die Bundesliga.

Was ist für Stuttgart und Hoffenheim nach den Trainerwechseln möglich?

Wichtig ist der kurzfristige Erfolg. Das hat in Hoffenheim bisher nicht so gut geklappt, aber beim Unentschieden gegen Gladbach war ein Aufwärtstrend zu erkennen. Die Mannschaft ist zu gut für den Abstieg. Wenn Stevens bis zur Winterpause in den Spielen gegen Ingolstadt, Hannover und Schalke mindestens vier Punkte holt, wird er den Verein retten. Das gilt auch für Stuttgart. Meiner Meinung nach werden beide Klubs den Klassenerhalt schaffen.

Quelle: spiegel.de


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