Bundesliga

Lust statt Last – VfB will den Spaß zurück



Die Strategen des VfB Stuttgart lassen nichts unversucht, um wenigstens ein bisschen Euphorie zu schüren. Insgesamt 150 000 Eintrittskarten für die drei Heimspiele innerhalb der nächsten neun Tage habe man bereits verkauft, berichtet Mediendirektor Max Jung stolz. Angesichts der schwachen Auftritte in dieser Saison und der miserablen Heimbilanz ist das eigentlich keine schlechte Marke – doch bei genauerem Betrachten fällt auf, dass das Spiel des Jahres, das Halbfinale im DFB-Pokal an diesem Mittwoch gegen den SC Freiburg, noch nicht ausverkauft ist. Und das, obwohl sich schon mindestens 10 000 Fans aus Freiburg Tickets gesichert haben. Ob die Mercedes-Benz-Arena bei der Partie gegen den SC voll sein wird, ist zumindest fraglich. Echte Euphorie sieht anders aus.

Die Fans und das Umfeld lechzen nach den spielerisch so schwachen Auftritten in den vergangenen Wochen nach Glanzlichtern. Nach gelungenen Offensivaktionen, sauberen Pässen und strukturiertem Angriffen – an diesem Sonntag in der Liga gegen Borussia Mönchengladbach (15.30 Uhr/Sky und Liga total) und dann in den zwei weiteren Heimpartien gegen den SC Freiburg (Mittwoch, 17. April und Sonntag, 21. April). Lust statt Last – der VfB will den Spaß zurück. Dafür muss er jedoch seine Probleme auf dem Platz endlich in den Griff bekommen.

Das Selbstvertrauen: Der ehemalige VfB-Spielmacher Maurizio Gaudino, der 1992 die Meisterschaft holte, war früher ein Stratege, der die Bälle im Mittelfeld forderte, der das Spiel an sich riss. Genau das fehlt Gaudino in der jetzigen Elf des VfB. „Man hat das Gefühl, dass zurzeit elf Einzelkämpfer auf dem Platz stehen – und keine Mannschaft“, meint er. Es gebe keinen Anführer, keinen, der sagt: „Gib’ mir die Kugel, ich mach’ was draus“, erklärt Gaudino, „Arthur Boka macht das ganz gut im Mittelfeld – aber er ist ja kein Stratege. Und William Kvist hat zurzeit kein Selbstvertrauen. Es fehlt einfach der Denker und Lenker.“

Der taktische Plan: Wer den Auftritt des VfB am Sonntag in Hannover (0:0) miterlebt hat, der weiß: In der Offensive fehlt weiter ein Konzept gegen tief stehende Gegner. Kein Rädchen greift mehr ins andere, sobald der gegnerische Strafraum naht. Maurizio Gaudino sieht dafür Gründe: „Die meisten Spieler laufen erst, wenn der Pass schon gespielt ist – dass sich vorher mal jemand richtig bewegt und in die freien Räume startet, kommt beim VfB zurzeit kaum vor.“ So könne man selten Bälle in die Schnittstellen der Abwehr spielen, sagt Gaudino: „Immer öfter sieht man einen Profi, der die Arme verzweifelt hochreißt, wenn er den Ball hat. Die VfB-Spieler wissen zu oft nicht, wohin sie die Kugel überhaupt passen sollen – weil sich die anderen eben zu schlecht bewegen.“

Die Arbeit im Training: An diesem Sonntag kommt mit Borussia Mönchengladbach ein Team nach Stuttgart, das dem Gegner gerne mal den Spielaufbau überlässt. Das defensiv gut steht und auf Konter wartet – eine Mannschaft, die dem VfB nach den Erkenntnissen in dieser Saison nicht liegt. Trainer Bruno Labbadia legte den Fokus im Mannschaftstraining deshalb auf das Passspiel. „Das hat sich durch die ganze Woche gezogen“, sagt er. Verschiedene Spielformen auf engen Feldern mit Überzahlsituationen, Torabschlüsse, immer mit der Vorgabe, schnelle Lösungen zu suchen – so probte der VfB den Ernstfall. Ob davon schon an diesem Sonntag gegen Gladbach etwas zu sehen sein wird, ist aber zumindest fraglich. Denn selbst Bruno Labbadia sagt: „Das ist ein Prozess, das geht normal nicht mit ein paar Trainingseinheiten – wir müssen erst wieder Automatismen reinbringen. Wir müssen gezielt arbeiten und das Niveau durch Zukäufe verbessern.“

Das Konzept des Trainers: Bisher war es beim VfB so: Wenn die Mannschaft eine Negativserie hinlegte und wenig Selbstvertrauen hatte, stellte Bruno Labbadia um. Vom aggressiven, dominanten Vorwärtsfußball der vergangenen Rückrunde war dann nichts mehr zu sehen.

Stattdessen warf Labbadia seine Philosophie über Bord. Das Team sollte sich in den Krisen auf die Grundtugenden besinnen. Es stand defensiv kompakt, es kämpfte – das spielerische Element aber stand hinten an. Für den ehemaligen VfB-Mittelfeldmann Andreas Buck ist das ein Unding. „Du musst als Trainer deine eigene Philosophie immer durchsetzen, Misserfolg hin oder her“, sagt Buck, der von 1990 bis 1997 beim VfB aktiv war. „Wenn du auf einmal nur noch Langholz und Hauruck spielen lässt, bringt dir das vielleicht kurzfristig Erfolg – mittel-und langfristig aber wirst du so zu einer grauen Maus. Du musst an deiner Spielidee auch in Krisenzeiten festhalten.“ Ansonsten müsse man irgendwann wieder bei null anfangen – so wie es der VfB jetzt gerade tut. Buck sieht den SC Freiburg als Idealbeispiel an: „Die verfolgen ihren Weg eben konsequent – auch in Phasen, in denen es sportlich mal nicht so läuft.“

Labbadia widerspricht Buck: „Wenn ein Team in einer kritischen Phase keine Sicherheit hat, kannst du es nicht in den Tod schicken“, sagt er, „ich bin dann der unzufriedenste Mensch, weil ich anders spielen lassen will.“ Man könne eine Elf, die wenig Selbstvertrauen habe, aber nicht nur offensiv ranlassen. „Es gab in den kritischen Phasen keine Alternative zu unserer Spielweise“, meint der Coach. Nun hofft Labbadia, dass in den nächsten drei Heimpartien der Funke auf die Ränge überspringt: „Wir müssen eine Einheit mit den Fans schaffen.“ Andreas Buck glaubt nicht an die Umsetzung des Plans: „Ich denke nicht, dass wir gegen Gladbach und Freiburg Fußballfeste sehen werden.“

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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