Kevin Großkreutz

Der VfB und sein Netzwerker der anderen Art

Kevin Großkreutz fällt durch bissige Internet-Botschaften in sozialen Netzwerken auf, Sportvorstand Schindelmeiser ist das ein Dorn im Auge. Die Frage, die sich stellt: Darf der das?


Großkreutz’ ironischer Wechsel-Post kam beim VfB nicht so gut an.

Das, was Kevin Großkreutz (28) vermutlich immer noch am besten kann, macht er schon recht lange nicht mehr: Fußball spielen. Nachdem er auch bereits zuvor mehrere Wochen verletzungsbedingt gefehlt hatte, ist der Weltmeister von 2014 bei der 1:3-Niederlage gegen den FSV Mainz am 7. Mai zum bisher letzten Mal für den VfB Stuttgart aufgelaufen. Das heißt aber nicht, dass Großkreutz seitdem keine Schlagzeilen mehr geliefert hätte – nur eben keine sportlichen. Ansonsten ist er aber derart omnipräsent, dass es seinem Arbeitgeber jetzt allmählich ein bisschen zu viel wird.

Also sah sich Sportvorstand Jan Schindelmeiser in der vergangenen Woche gezwungen, öffentlich ein paar kritische Bemerkungen über die verschiedenen Aktivitäten seines Angestellten in den diversen Netzwerken zu hinterlegen. „Er muss wissen, dass er nie als Kevin Großkreutz alleine in den sozialen Medien unterwegs ist, sondern immer auch als Repräsentant unseres Clubs“, sagte der Sportvorstand. Gelbe Karte bedeutet das im simplen Fußballerdeutsch – eine Sprache, die Großkreutz beherrscht.

Der populärste Spieler des VfB

Das kann er dann zumindest am zweitbesten. Entsprechend ungeschminkt drückt er sich aus, beispielsweise wenn er unter dem Namen „Fischkreutz“ mit seinem Mitteilungsbedürfnis auf seinem Lieblingsonlinedienst Instagram mal wieder für Aufsehen sorgt. Zuletzt war das so, als er seinen vermeintlichen Wechsel zu RB Leipzig verkündete. Ein Späßchen sollte das nur sein, aber mit ernstem Hintergrund, weil er RB nicht leiden kann und ein wenig durch den Kakao ziehen wollte. Das ist kein Traditionsverein, doch für einen wie Großkreutz zählen nur Traditionsvereine und sonst nichts. So einfach ist das in seinem Fußballerdeutsch.

Die Sache mit RB hat jetzt Schindelmeiser auf den Plan gerufen, aber das ist nur ein Beispiel für die Haltung von Großkreutz. Die Liste seiner Postings auf Instagram ist umfangreicher als die Anzahl seiner Bundesligaspiele. Wenn’s pressiert, kommentiert er dort eigentlich alles – und weite Teile der Fans freut das anscheinend. Wie sonst wäre es zu erklären, dass er populärer ist als jeder andere Spieler beim VfB, obwohl er noch nichts Bemerkenswertes für den Verein geleistet hat? Seine Auftritte auf dem Platz begründen diesen Status demnach nicht, schon eher sind es seine Direktheit und seine Natürlichkeit, die ihn glaubwürdig erscheinen lassen. Diese Eigenschaften unterscheiden ihn von den meisten Profikollegen. Insofern erfüllt Großkreutz in den Augen vieler Fans wohl die Sehnsucht nach der guten, alten Zeit, in welcher der Fußball noch anders tickte und nicht nur Geschäft gewesen ist.

Interviews gibt Großkreutz praktisch keine

Großkreutz sagt oft das, was der gemeine Anhänger hören will – genauer, er postet es auf Instagram, denn Interviews gibt er praktisch keine. Lieber liefert er direkt seine Antworten auf Fragen, die er sich zuvor selber gestellt hat. So war er etwa auch der Erste, der sich ungefragt zum VfB bekannt hat, als sich der Abstieg aus der Bundesliga abzeichnete. Er hat Wort gehalten – nicht nur in dieser Beziehung. Deshalb nehmen ihm die Leute mehrheitlich ab, dass er seine Ansichten nicht verbreitet, weil sie an der Basis womöglich gut ankommen könnten, sondern weil es wirklich sein Ernst ist und weil er schlicht so denkt wie er spricht. Dahinter steht er, Kevin Großkreutz, – und nicht eine PR-Agentur, die schöne Sätze für ihn formuliert. Aber dabei gibt es eine Grenze, auf die Schindelmeiser nun hingewiesen hat. „Wir haben das auf dem Schirm“, sagte er. Es kann kaum im Sinne des VfB sein, wenn solch abwertende oder schnippische Stellungnahmen wie über RB Leipzig auf allen Kanälen kursieren. Selbst ein Stuttgarter Sportgeschäft hat die Einladung zu einer Autogrammstunde mit Großkreutz am Dienstagabend mit dessen Beitrag auf Instagram zu RB eröffnet. Beim VfB hat man sich aktuell mit ihm über das Problem unterhalten – verbunden mit dem Hinweis, dass es sicher nicht so gut ist, wenn er sich ausgerechnet in dieser Phase ständig zu Wort meldet, da er seit Monaten ausfällt. Solche Argumente kann er aber schlecht nachvollziehen, schließlich sage er ja nur seine Meinung, erwiderte er. So sieht er es.

Einerseits finden das viele Fans sympathisch, aber auf der anderen Seite ist es für den VfB manchmal schwierig. Unabhängig davon wäre es jedoch wohl kein Fehler, wenn Großkreutz bald wieder das machen würde, was er immer noch am besten kann.

Was ist erlaubt – und was nicht?

Was ist erlaubt bei Instagram und Co – und was nicht? Das ist die große Frage, die sich auch im Fall von Großkreutz’ Postings stellt. Eine Antwort fällt nicht leicht. Grundsätzlich gilt das gesetzliche Rücksichtnahmegebot. Es besagt, dass ein Arbeitnehmer nichts veröffentlichen darf, was seinem Arbeitgeber schadet. Im Einzelfall kommt es auf das Unternehmen an, das die Internetaktivitäten seiner Mitarbeiter per Betriebsvereinbarung oder Unternehmensrichtlinie festhält. Im Fußballgeschäft sind solche Punkte oftmals auch explizit im Vertrag festgeschrieben. Beim VfB gilt der Leitsatz, dass jeder Spieler einen verantwortungsvollen Umgang pflegen soll – dazu gehören auch die gegnerischen Spieler und Fans.

Bei Großkreutz fällt die Unterscheidung zwischen der bundesweit bekannten Privatperson, der Marke KG, und dem einfachen Angestellten des VfB schwer. „Er ist beides“, sagt der Arbeitsmarktexperte Thomas Frisch. Das impliziert eine gewisse Narrenfreiheit – letztlich muss sich aber auch der als Fischkreutz im Netz tummelnde Weltmeister den Interessen seines Arbeitgebers unterordnen. Auch dann sind private Äußerungen noch in Ordnung; sobald er gegen andere Vereine stichelt, wird es aber grenzwertig, findet Fritsche. „Der VfB könnte ihm dies als mittelbare Rufschädigung auslegen.“ Mehr als eine Ermahnung wäre für Großkreutz arbeitsrechtlich aber nicht zu befürchten.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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