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Michael Reschke, der RealoVier Wochen ist der neue Sportvorstand Michael Reschke beim VfB Stuttgart im Amt. Nun gibt er erstmals Einblicke in seine Arbeit beim Bundesliga-Aufsteiger.
Löste vor vier Wochen Jan Schindelmeiser als Sportchef beim VfB ab: Michael Reschke.
Natürlich kennt er sie alle. Den Karl-Heinz und den Uli, den Jogi und den Oli, Calli und Rudi. „Mit Rudi Völler habe ich in Leverkusen mehr Zeit verbracht als mit meiner Frau“, sagt Michael Reschke, der neue Sportchef des VfB Stuttgart. Was viel über sein Selbstverständnis in diesem Business aussagt. Reschke muss ziemlich fußballverrückt sein, soviel steht fest. Und ein fehlendes Netzwerk dürfte ihm sicher nicht zum Verhängnis werden.
Doch wie tickt der Neue auf der VfB-Kommandobrücke genau? Welche Vorstellungen vom Fußball hat er, welche Visionen? Was denkt einer, der 35 Jahre bei Bayer Leverkusen und drei Jahre beim Branchenprimus an der Säbenerstraße unter Vertrag stand über seinen jetzigen Arbeitgeber. Wo will er hin mit dem VfB?
Wo will Reschke hin mit dem VfB?
Seit vier Wochen ist der 59-Jährige nun im Amt. Am Dienstag gab er erstmals tiefere Einblicke in seine Arbeitswelt. Und hatte offensichtlich Freude daran. Was nicht selbstverständlich ist. Denn Reschke stand nie im Licht der Öffentlichkeit und hat es auch nie gesucht. In Leverkusen waren von 150 Mitarbeitern 149 auf der Homepage gelistet. Nur einer nicht. Reschke war es recht. Auch im medienverrückten München blieb es in drei Jahren bei einem Interview. Doch jetzt ist alles anders. Nach dem Heimspiel gegen Mainz, seinem ersten als VfB-Manager, sei er öfters fotografiert als in seiner gesamten Karriere zuvor, erzählt er leicht verwundert. Der Medienrummel hat ebenfalls Fahrt aufgenommen. Nach 39 Jahren besteigt Reschke plötzlich die große Bühne, mit unerkannt Skifahren gehen ist es wohl bald vorbei. „Kein Problem“, versichert der Rheinländer, „ich nehme es, wie es kommt.“ Es hat den Anschein, als genieße er das neue Interesse sogar ein wenig.
Es nehmen, wie es kommt – dieses Motto hat sich Reschke zu eigen gemacht. Das fängt mit der Kaderplanung beim VfB an. Die eher experimentelle Herangehensweise seines Vorgängers Jan Schindelmeiser hat Reschke in eine realere überführt. Und mit Dennis Aogo und Andreas Beck zwei solide Kicker für die Außenbahnen verpflichtet. „Wir hatten wenig Bundesligaerfahrung im Kader, deswegen haben wir sie geholt. Das sind Spieler, die werden im Abstiegskampf nicht mehr nervös.“ Dass es in dieser Saison für den VfB womöglich wieder so kommen könnte, da gibt sich der Manager keinen Illusionen hin. „Platz 15 muss am Ende unser Ziel sein.“
Kühler Blick aufs Geschäft
Reschke, ganz der Realo. Als solcher gibt er sich auch beim beherrschenden Fußball-Thema, der immer schneller um sich greifenden Kommerzialisierung. Ob er Transfersummen jenseits von 200 Millionen Euro nicht auch als Irrsinn begreift? Reschke geht kurz in sich, um wie so oft mit einer Episode aus seiner langen Karriere zu antworten. „Dass die 100-Millionen-Schallmauer bald fallen wird, habe ich dem Karl-Heinz Rummenigge schon vor ein paar Jahren gesagt. Viele haben das damals nicht für möglich gehalten.“
Was Reschkle damit sagen will: So ist das Business. Zu dem mittlerweile eben auch Ablösesummen wie jene von Paris St. Germain gezahlten 222 Millionen für Neymar gehören. Ein Irrsinn, findet auch Reschke, stellt aber zugleich klar: „Das betrifft vielleicht zwei Prozent aller Transfers. Was daraus abgeleitet wird, ist mir zu wuchtig. In der Bundesliga wird so seriös gearbeitet wie noch nie.“
Nach 39 Jahren hat Reschke einen kühlen Blick aufs Geschäft. Geprägt von den Big Playern, er kommt schließlich nicht von St. Pauli. Dass der Spielplan immer weiter zerstückelt wird und das Pokalfinale womöglich bald in China ausgetragen wird – wo ist das Problem? „Auf meine Lebensqualität hat es keinen Einfluss, ob samstags um 15. 30 oder um 18.30 Uhr angepfiffen wird“, sagt Reschke. Er will auch gar nicht wissen, wo die Entwicklung noch hinführen könnte. Reschke lebt im Hier und Jetzt, er ist nicht der Mann mit Visionen. Davon hatten sie in der Vergangenheit beim VfB genug.
Quelle: Stuttgarter Zeitung