Laberthier labert hier, obwohl ihm nicht sonderlich danach ist, über die jetzt schon akut abstiegsbedrohte Fortuna


Bruno Laberthier und sein "Baby": "Alle Böcke beißen..."
Beim 1. FC Köln am Geißbockheim schaut Bruno Laberthier an jedem freien Tag, den der Herrgott Training sein lässt, vorbei und sieht nach dem Rechten. Die Fortuna aus der Südstadt hat er seit ewigen Zeiten als kölscher Unterhund ins Herz geschlossen. Und dass schöner Fuppes auch auf der anderen Rheinseite gespielt wird, weiß er ebenfalls. Außerdem schreibt er Romane: „Alle Böcke beißen …“ ist der erste (Un)Sittenroman über den 1. FC Köln. Bruno Laberthiers Kolumnen erscheinen offline und online, also in der RHEINFUSSBALL Printausgabe und bei rheinfussball.de
Vier. Alles, was es über die Fortuna zu sagen gäbe in diesem verregneten Spätsommer, drückt sich aus in einer einzigen Ziffer. Der 4. Vier Heimspiele haben die Anhänger des Südstadtfußballs in der organisatorisch offenbar etwas plötzlich über den Verein hereingebrochenen 3. Liga zu sehen bekommen. 4 magere Pünktchen stehen nach sieben Spieltagen zu Buche. Und vier Punkte Rückstand sind es mittlerweile auf Nichtabstiegsplatz 17. Wegen zuletzt 4 Klatschen in Folge, drei davon bei Heimspielen.
Das ist zu wenig, auch wenn die Gegner aus Chemnitz, Bielefeld, Osnabrück und Duisburg allesamt zu den selbst- und fremderklärten Mannschaften mit Topplatzierungsanspruch zählen. Trainerteam, Mannschaft, Offizielle und vor allem die mehrheitlich unerschütterlich zuversichtlichen Fans nimmt die Bilanz nach einem Fünfeinhalbtel der Saison mehr oder weniger mit. Zusammenschweißparolen werden ausgegeben, garniert mit Appellen an das Jeföhl für unser aller Vereinchen. Leider geht das manchmal einher mit einem wenig zielführenden Zusammenscheißen derjenigen, die mit all den Vieren ein wenig zu sehr enttäuscht sind und das auch kundtun.
Die „Scheißhausparolen“, die Trainer Uwe Koschinat neulich beklagte, sind ebenso wie alle anderen Meckereien nichts anderes die Ängste derer in den sehr loyalen Anhängerbereichen, wo der blanke Schiss vor dem Verdaddeln des gemeinsam Erreichten herrscht. Sie sind kein Defätismus und verdienen es nicht, in die Nähe von Defäkationsanstalten gerückt zu werden. Zudem die Konstellation, aus der heraus der bekannt wortgewaltige Trainer das so sagte, wie er es sagte, eine besondere. Uwe Koschinat ist bei der Fortuna das, was gemäß der weisen Frau mit den Rautenpfoten die Banken im Gefüge der Bundesrepublik sind: alternativlos. Ein bis auf den Herzmuskel durchtätowierter Haut-und-Haarfortune ist Koschinat außerdem: damit das nicht schief rüberkommt und doppelt unterstrichen hier drinsteht.
Aber er ist eben auch alternativlos, sprich: das Vereinchen hat sich mit derselben Haut und denselben Haaren an Uwe Koschinat getackert, was das Unternehmen Klassenerhalt in der 3. Liga betrifft. Die Neuzugänge sind auffällig häufig persönliche Bekannte aus alten Koblenzer Zeiten: zumindest die, die regelmäßig spielen (Rahn und Marquet). Ein anderer Trainer hätte sie vermutlich nicht verpflichtet. Und die markante Aufstiegsspielerbelohnung geht zwar auch in anderen Konstellation: Peter Stöger etwa hat das beim FC in den ersten beiden Bundesligaspielen genauso praktiziert; am Ende stand da die erfolgreichere Variante der 4, nämlich vier Punkte und noch kein einziges Gegentor. Doch war da die Ausgangslage eine andere. Der FC war erstens souverän aufgestiegen (und nicht von Ostholland aus hochgeschossen worden, weil die eigene Kraft kaum mehr reichte); zweitens hatte er unter der Saison Erfahrungen gesammelt mit Erstligisten: Mainz und der HSV, im Pokal. Dabei haben alle gesehen, bei denen kann unsere Kerntruppe mitstinken. Sowas beruhigt und rückversichert ungemein.
Die Trainer-Team-Treue bei der Fortuna wirkt dagegen ein wenig wie die Expedition des Christopher Kolumbus. Vielleicht kommt man durch und irgendwie an, und trotzt solange Wind und Wetter und dem Sturm, den ambitionierte Clubs auf einen loslassen. Erfahrungen mit den Tiefs namens Fabian und Anton und Addy hatte man vorher keine – jedenfalls keine, die einem hätten Selbstvertrauen verleihen können.
Aber gut. Jetzt spielen sie, wie sie spielen, und machen ihre Sache im Rahmen dessen, was möglich ist und was sie können, nicht wirklich schlecht. Man muss nicht in Alarmismus abkippen. Nur realistisch sollte man bleiben und das benennen dürfen, was nicht so fluppt.
Natürlich sind das die vier verschuldeten Heimspielelfmeter, die im Rückblick für den Verlust von vier Punkten verantwortlich waren (Mainz II wäre sonst ein Dreier gewesen, und gegen Chemnitz und Duisburg hätte wenigstens ein Zähler auf der Habenseite gestanden). Hinzu kommen die fehlenden Abschlüsse, die beispielsweise dazu führen, dass ein dezimierter Gegner wie die Meidericher den Dreier nach Hause schaukeln konnte – und zwar, betrachtet man die Qualität der Chancen in der zweiten Halbzeit, gar nicht mal unverdient. Fortuna belagerte mit Mann und Maus die Ruhrpottbox, ohne einen Ball auf die MSV-Kiste gezwiebelt zu kriegen. Bei Ecken und Freistößen standen sie sogar alle drin, und hatten für den zweiten Ball keinen rückwärtig geparkt.
Einzelaktionen, auch so ein Ding. Bei einem Gegner wie der Fortuna, die sich inzwischen den Ruf erspielt hat, am Ende doch besiegt zu werden (was nicht als Zynismus gemeint ist, im Gegenteil – sollen die anderen sie nur schön weiter unterschätzen), bei einem Kollektiv, dass über Willen und Kampf und mannschaftliche Geschlossenheit kommt, wünscht man sich schon aus Gegner-Überrumpelungs-Gründen mehr beherzte Dribblings und auch mal einen Schuss aus der zweiten Reihe. Die Techniker für sowas sind da, und der Trainer ist zum Glück weitsichtig genug, sie nicht dem Abstiegskampfmodus zu opfern – sondern weiter auf sie zu setzen. Ja, ich mag den Kessel. Und auch Cauly Oliveira Souza ist so einer, Uaferro sowieso. Macht doch mal den Stall auf, Freunde. Wenn’s beim ersten Mal nicht klappt, dann eben nochmal. Und lasst ein Überraschungs-Ei raus.
Auch weil es Zeit wäre, ja, bei vier Punkten Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz nach einem, was den Mix aus Heimspielhäufigkeit und Mitaufsteiger-Duellen betrifft, suboptimal verlaufenen Auftakt. Bis zum Ende der noch ausstehenden beiden Drittel der Hinrunde muss die Fortuna den Trend umgekehrt haben. Sonst steht das Vereinchen mal wieder mit dem Rücken zur Wand. Und die Scouts klopfen an: das wäre dann man so sicher wie das Amen in St. Pius zu Zollstock.
Denn machen wir uns nix vor, ein Thomas Kraus und ein Tobias Fink und ein Oliver Laux und eine Entdeckung wie Boné Uaferro und you-name-them-almost-all-Uwe-inclusive stünden auch anderen Vereinen gut zu Gesicht. Bei einem sich abzeichnenden direkten Wiederabstieg in Liga Vier oder gar, ohne Kohle, in die nächste Bedeutungslosigkeit würde schon die Rückrunde bitter, sehr bitter.
Es zählt jetzt, schon jetzt. Das ist kein Alarmismus, sondern ein Hinweis an alle, die sich pauschal sicher sind, dass die Fortuna das schon schaukelt, weil sie es schaukeln muss, weil es das Schicksal ja so und nur so wollen kann. Und an alle, die nur die guten Ansätze sehen, die es zweifellos (und glücklicherweise) seit dem Großaspach-Auftakt auch gegeben hat.
Also sagen dürfen, was einem nicht passt, konstruktiv natürlich. Und dafür nicht gleich abgewatscht werden. Dann den Mund abwischen und weiter zusammenhalten: Trainer, Fans und Team, das sogar im zweifachen Sinn. So dass es eine Alternative zum Ausverkauf gibt. Auch das ist alternativlos.

Quelle : https://rheinfussball.de/artikel/4/