Uwe Koschinat „Wir haben die Pflicht, über Alternativen für Keita nachzudenken“

Christian Krämer

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Köln - Herr Koschinat, nach dem Rauswurf von Torsten Lieberknecht in Braunschweig sind Sie der Profitrainer mit der zweitlängsten Amtszeit. Seit Sommer 2011 betreuen Sie den SC Fortuna Köln, nur Heidenheims Coach Frank Schmidt ist noch länger im Amt (seit 2007). Was bedeuten Ihnen diese Zahlen?
Es zeigt, dass hier eine enorme Kontinuität auf der Position herrscht. Das macht mich stolz. Es ist etwas anderes, ob man Sachen übernommen hat und die auf dem gleichen Niveau hält, oder selbst etwas aufgebaut hat. Ich habe den Verein übernommen, als er am grünen Tisch in die Vierte Liga aufgestiegen ist, jetzt sind wir ein relativ stabiler Drittligist – egal, wie viel Anteil man mir dafür zurechnet.

Allerdings wurden acht der letzten neun Liga-Spiele verloren, in der Tabelle ging es runter bis auf Platz acht. Dazu das Pokalaus gegen Viktoria. Laut den typischen Mechanismen im Profifußball müsste nun der Trainer zur Debatte stehen. Davon ist bei Fortuna allerdings nichts zu spüren.
Aktuell zumindest nicht, das stimmt. Dieser Verein lässt sich nicht von einer Emotionalität leiten. Das spricht sehr stark für die Person Michael W. Schwetje (Geschäftsführer und Investor, d. Red.). Das heißt, auch als wir eine attraktive sportliche Ausgangslage hatten, hat er das sehr nüchtern eingeschätzt. Dann wird zwar immer mal kritisiert, er sei zu nüchtern. Nach dem Motto: Die Chance am Schopf packen und jetzt noch einmal in den Kader investieren. Aber er hält an seiner Strategie fest – und eben auch in die andere Richtung, wenn es schlecht läuft.

Wie war Ihr Empfinden in den letzten Wochen und Monaten?
Ich bin immer noch sehr positiv von der Fankurve und im VIP-Raum empfangen worden. Das zeigt mir, dass die Leute mich nicht satthaben, mich weniger als Problem, mehr als Lösung sehen.

Sie führen aktuell viele Saisonabschluss-Gespräche. Gibt es einen gemeinsamen Nenner bei allen Beteiligten?
Die Analyse ist recht einfach, auch wenn sie noch nicht komplett ist. Der Umbruch im letzten Sommer ist uns sehr gut gelungen. Gerade der neuen Führungsstruktur mit Hamdi Dahmani, Maik Kegel und Boné Uaferro an der Spitze der Mannschaft gebührt Dank. Sie haben das Vakuum hervorragend gefüllt und es den neuen und Spielern erleichtert, sich bei uns und in der Liga zurechtzufinden. In der Saison sind wir dann wahrscheinlich über einen langen Zeitraum zu hoch geflogen. Und am Ende war die Erwartungshaltung, auch die eigene, so groß, dass wir die Niederlagen gegen Erfurt und Großaspach nicht gut verkraftet haben und abgestürzt sind. Ein Großteil der Mannschaft hat dann eine gewisse Ziellosigkeit für den Rest der Saison erlebt.

In Sebastian Schiek aus Großaspach und Michael Eberwein von Borussia Dortmund II haben Sie für die neue Saison bislang einen Linksverteidiger und einen Angreifer verpflichtet. Wo besteht noch Handlungsbedarf?
Definitiv müssen wir unsere Offensive noch breiter aufstellen, das ist eine Lehre dieser Saison. Es haben einfach viel zu lange die gleichen Schultern den Erfolg getragen. Spieler wie Dahmani, Robin Scheu oder Daniel Keita-Ruel mussten einen wahnsinnig hohen Rhythmus gehen. Ich konnte ihnen nie eine Pause gönnen. Selbst im Pokal gegen Freialdenhoven war ich gezwungen, Keita einzuwechseln, um das Spiel zu drehen. Gleiches gilt für Dahmani gegen Marialinden in der Runde davor. Auf der anderen Seite waren wir in der Liga nie in der Lage, das Ergebnis durch Einwechslungen noch zu drehen. Da brauchen wir einfach mehr Schultern.

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Sind Sie sicher, dass Keita-Ruel bei Fortuna Köln bleibt?
Nein, das kann ich nicht sein. Aber wir sind mit dem Spieler und mit dem Berater in einem vernünftigen Dialog. Es gibt Profis, die kein Interesse an einem Wechsel haben. Ich glaube, dass die Gemengelage bei Keita anders ist. Ihm Geduld im Hinblick auf seine Karriere abzuverlangen, ist gar nicht so leicht. Er hat lange kein Geld mit Fußball verdienen und vorher auch noch nie dauerhaft im Profibereich arbeiten können (aufgrund einer Haftstrafe, d. Red.). Nun ist er einer der Topspieler der Dritten Liga. Er hat, auch weil er sich gezwungenermaßen lange nur mit sich selbst beschäftigen konnte, gelernt, sich Ziele zu setzen und diese nachhaltig abzuarbeiten. Allerdings geht er auch schon auf die 30 zu. Wir haben als Verein also die Pflicht, über Alternativen für Keita nachzudenken. Andererseits weiß der Spieler auch, dass wir im Sinne des Vereins handeln müssen.

Was bedeutet das genau?
Gibt es am Ende, wenn alle sportlichen Entscheidungen über Auf- und Abstiege gefallen sind, überhaupt einen Markt für den Spieler? Und ist dieser Markt für uns interessant?

Gibt es schon ein Ziel für die nächste Saison?
Da bin ich vorsichtig. Ich glaube, dass die Liga nächstes Jahr noch einmal stärker wird. Mit Braunschweig und Kaiserslautern gibt es zwei Absteiger, für die nur der direkte Wiederaufstieg zählt. Und ob Aue absteigt oder Karlsruhe in der Liga bleibt, ist egal. Der Verlierer der Relegation wird in der nächsten Saison wieder voll auf den Aufstieg gehen, das gilt auch für Hansa Rostock. Saarbrücken, Uerdingen und Cottbus wären zudem keine typischen Aufsteiger in die Dritte Liga, die sich nur über den Klassenerhalt definieren. Aber ich strebe ja immer nach einer Entwicklung und würde darum unsere 54 Punkte aus dieser Saison als Maßstab für die nächste nehmen.

Viktoria hat den Aufstieg erneut verpasst. Eine gute Nachricht für die Fortuna?
Das Pokalspiel hat gezeigt, was für eine Schärfe Derbys in die Mannschaft bringen. Das fehlt natürlich etwas, es gibt ja keinen anderen Westklub aus der unmittelbaren Nachbarschaft in der Liga. Auf der anderen Seite hätte die Viktoria ganz andere Möglichkeiten in der Dritten Liga. Sie würden dann wohl direkt in der Spitzengruppe mitspielen wollen – und das könnten sie auch. Dann hätte mit Sicherheit eine Wachablösung gedroht, die wir in den letzten direkten Pokalduellen – das kann ich nicht wegdiskutieren – irgendwie schon erleben mussten. Und natürlich ist es für uns eine katastrophale Vorstellung, wenn Viktoria bei uns im Südstadion spielen würde. Das wäre der absolute Super-Gau.


– Quelle: https://www.ksta.de/30425434 ©2018